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[dropcap]Ü[/dropcap]ber 15 Stunden Busfahrt, über 30 Stunden wach. Ein ausverkauftes Uebel Und Gefährlich. Sightseeing zu Sonnenaufgang. Solche Dinge erlebt man nur, wenn man einer so großartigen Band wie Findus „die letzte Ehre“ erweisen möchte und das mehr als 450 Kilometer entfernte Abschiedskonzert besucht.

Ich komme aus dem Staunen kaum noch heraus, als ich das riesige ehemalige Hochbunkergebäude auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg erblicke, welches unter Anderem das Uebel und Gefährlich beherbergt. Der Flakturm VI überragt in seiner Massivität und Größengewalt komplett St. Pauli – natürlich inklusive mir gefühlt winziger Gestalt.

Wir passieren den Einlass. Die Faszination wird größer und größer, werden wir doch kurzerhand in einen Fahrstuhl gewunken. Dort läuft lautere Rockmusik, die uns vermutlich schon in die passende Konzertstimmung versetzen soll. Ehe ich mich versehe, stehe ich schließlich auch im großen Ballsaal des Uebel und Gefährlich und möchte nach dem allerersten Rundumblick am liebsten nie wieder aus diesem Club verschwinden. So eine schöne Location habe ich zuletzt und tatsächlich auch einzig und allein gesehen, als ich Ende 2012 die Prinzenbar auf der Reeperbahn besucht hatte. Mich beschleicht das Gefühl, Hamburg habe ein gutes Händchen für eine ansprechende Clubatmosphäre.

Zoi!s Uebel und Gefährlich Hamburg Findus Abschlusskonzert
Zoi!s
stehen bereits auf der Bühne und heizen dem Publikum schon ordentlich ein. Das kann man in diesem Fall durchaus wörtlich nehmen, denn eines ist es hier im großen Ballsaal wirklich: extrem warm!
Ich bin positiv überrascht, habe ich aufgrund von Erzählungen meiner Begleitung doch mit wenig hörbarer Musik gerechnet. Der Sound mag zwar von Song zu Song zwischen ernstzunehmendem tanzbarem Postpunk und Schülerbandsound schwanken, insgesamt legt die noch recht junge Combo aus Schleswig aber einen guten Auftritt hin. Dem Publikum weiter vorn scheint es auf jeden Fall auch zu gefallen, tanzen doch bereits ein paar von ihnen recht ausgelassen in kleineren Moshpits. Ja, ich denke, Zoi!s kann man sich auf jeden Fall mal geben. Aus denen kann durchaus noch etwas werden.

Ein Blick über die mehreren Ebenen des Uebel und Gefährlich offenbart eine angenehme und recht hippe Zielgruppe irgendwo zwischen Anfang 20 und Mitte 30. Schaut man sich meine zuletzt besuchten Konzerte an, so stellt dies doch eine ganz schöne Abwechslung dar.

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Kurz vor 21 Uhr schiebe ich mich in den engen Pressegraben und das, was ab jetzt folgt, bereitet mir unglaubliche Gänsehaut. Die Energie, die von beiden Seiten auf mich einprasselt, ist kaum in Worte zu fassen. Findus drehen an ihrem letzten Abend von Anfang an voll auf – und das passender denn je zunächst mit dem Song „Anfang vs. Ende“. Das Publikum zeigt sich beweglich und textsicher, es wird ausgelassen und dennoch respektvoll gefeiert und getanzt. Sobald Frontmann Lüam nur in die Nähe des Publikums tritt, wird in Scharen in Richtung Mikro gepirscht und noch heftiger als eh schon mitgesungen. Die Stimmung ist super, der vordere untere Bereich des Clubs springt zeitweise in einer nahezu homogenen Masse umher. Ein Anblick, den ich so gewiss nicht mehr vergessen werde.

Ich schaue mir das Spektakel meiner Kamera zuliebe nach den obligatorischen drei Songs im Graben von weiter hinten und oben an und fühle mich einfach wohl, obgleich auch ziemlich traurig. Mit dieser Stimmung bin ich gewiss nicht allein, das entnehme ich aus den Gesichtern der Leute um mich herum. Das, was da passiert, wird so nicht mehr wieder kommen. Und das fühlt sich echt komisch an. Doch Fassung behalten und Findus noch einen letzten großartigen Abend bescheren. Konfetti und Menschen fliegen durch die feucht-heiße Luft des mittlerweile klimatisch saunaähnlichen Ballsaal des Uebel Und Gefährlich.

Ein besonderer Gänsehaut-Moment: Der frühere Findus-Gitarrist Moritz Buhmann gibt sich die Ehre und spielt zwei Songs gemeinsam mit seinen früheren Bandkollegen. Einfach so völlig unerwartet und gerade deshalb so verdammt großartig!

Doch auch der Rest des letzten Konzerts von Findus hat es in sich. So hat Fronmann Lüam sichtlichen Spaß daran, die anderen Bandmitglieder hier und da mit kleinen Spielereien zu necken und wagt sich sogar zum Crowdsurfen in die Menge. Ja, die Band genießt ihren letzten gemeinsamen Auftritt noch einmal so richtig.

Bei „Erdbebenwarnung“ singt das textsichere Publikum so lange weiter bis sich die Band noch einmal auf die Bühne begibt und den Song gemeinsam mit den Fans beendet.

Goodbye #Findus. #UebelundGefährlich #Hamburg

Ein von @schallgefluester gepostetes Video am

Sein emotionales Ende findet dieses Konzert schließlich mit „Gold“ und dem farblich darauf abgestimmten Konfetti.

Traurige Gesichter. Das war’s. Das war dann wohl das allerletzte Konzert in der Geschichte von Findus. Schnell noch am Merchandising-Stand ein paar Euro für die vom Wasserschaden geplagte Rote Flora gespendet, einen letzten Drink genossen und festgestellt, dass man das alles noch gar nicht so ganz realisieren kann.
Wer will, der geht im Anschluss an das Konzert noch zur Aftershow-Sause ins nahegelegene Knust und schließt sich – zumindest Gerüchten zufolge – einer Party bis in die Morgenstunden an. Samt Polonäse.

Wir nicht. Wir vertreiben uns die Zeit im Fastfood-Restaurant. Ich lese die aktuelle Ausgabe der Intro und amüsiere mich über die viel zu braven Kurzrezensionen des Mikroboy-Frontmanns Michi Ludes, ehe es zu Sonnenaufgang auf eine kleine Sightseeing-Tour zwischen Speicherstadt, Reeperbahn und Landungsbrücken geht.
Doch apropos Mikroboy – es stimmt mich traurig, dass ich kaum einen Tag verschnaufen kann, ehe ich den nächsten Abschied ertragen muss. Der Musikgott meint es im Jahre 2016 echt nicht gut mit mir.

Findus? Wir danken euch für eine wunderbare Zeit mit eurer vielsagenden Musik. Im Namen von Schallgefluester spreche ich dabei ganz im Speziellen auch von den wirklich schönen Konzerterlebnisse in Siegen, Duisburg und zuletzt natürlich auch Hamburg. Macht’s gut, Jungs!

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