Wenn ich an die Band FJØRT denke, kommen mir hauptsächlich zwei Arten von Szenarien in den Sinn: Festivals unterschiedlichster Größen, auf denen man zumeist noch einigermaßen entspannt einen Platz findet, an dem man sich unbeschadet die Seele aus dem Leib brüllen kann… oder eben kleine enge und zumeist alternativ angehauchte Clubs mit tendenziell günstigen Getränkepreisen, einer angenehm verranzten Atmosphäre und standesgemäßen Pits.
Dass es auch anders geht, bewies kürzlich ihr Auftritt im Rahmen des c/o Pop Festivals 2019 im Kölner Gloria-Theater.
Das Gloria ist eine traditionsreiche Veranstaltungsstätte: Zunächst im Jahr 1956 als Kino und Theater gegründet, ist es mittlerweile Schauplatz unterschiedlichster Theaterstücke, Lesungen, Partys, Konzerte, Live-Podcasts und sonstiger publikumsträchtiger Unterhaltungsformate.
Meinen ersten Besuch im Gloria-Theater erlebte ich im Jahr 2014, als ich meine damalige beste Freundin im Rahmen eines Silvester-Kurztrips nach Nordrhein-Westfalen zu einer DVD-Aufzeichnung der Band Jupiter Jones eingeladen hatte. Schon damals faszinierte mich vor allem dieser ikonische leuchtende Schriftzug an der Wand des Veranstaltungssaals. Bis heute erfüllt mich der Anblick dessen noch mit einem angenehm freudigen Gefühl.
Umso größer ist für mich der Clash zwischen diesem angenehmen Gloria-Gefühl und dem Support-Act dieses Donnerstagabends: Als hätte ich es nicht bereits am Namen ablesen können, legen Cocaine Piss eine Show hin, wie ich sie zuvor noch nirgendwo erlebt habe.
Musikalisch leistet die Band definitiv eine ganze Menge, beherrscht ihre Instrumente, spielt diese provokativ und dreckig, irgendwie punkig, sehr noisy und vor allem laut und voll in die Fresse. Zu gern würde ich wissen, was vor allem in ihrer Sängerin vorgeht, die sich mit einer so krassen Selbstverständlichkeit mal brüllend, mal heulend, wütend und zum Teil auch lachend auf der Bühne räkelt und hier und da auch mal den armen Sicherheitsmann direkt an der Bühne ärgert oder das Publikum mit dem Mikrofonkabel fast stranguliert. Mindestens stranguliert, eigentlich fast ausgeknockt fühle ich mich auch, als der Wirbelsturm ihres Auftritts vorbei ist und wieder etwas Ruhe einkehrt. Da ich von den Texten leider nichts verstehen konnte, sie mich aber völlig fertig zurücklassen, nenne ich Cocaine Piss von diesem Zeitpunkt an liebevoll Menstruationsschmerzen – das Musical.
Mich beschleicht das Gefühl, dass der Auftritt der Belgier*innen für einige Konzertbesucher*innen zu viel des Guten war. Es ist nämlich schon irgendwie auffällig, dass es im Anschluss daran doch noch einmal voller im Veranstaltungssaal des Gloria-Theaters wird.
Nur wenig später ist der lang ersehnte Augenblick da: FJØRT kehren an diesem Abend endlich aus ihrer kleinen Live-Pause zurück. Und obwohl ich die Akustik im Gloria-Theater an diesem Abend als ziemlich matschig empfinde, bin ich von Anfang an Feuer und Flamme. Ich weiß echt nicht, wie die Band es macht, aber schon mit ihren ersten Tönen fällt all der Müll der letzten Monate von mir ab und ich kann mich voll und ganz von ihrer Show mitreißen lassen und alles herausbrüllen, was sich in den vergangenen Wochen in mir angestaut hat. Während sich zentral vor der Bühne ein ordentlicher Pit bildet, begebe ich mich wie gewohnt an die Seite zum Bassisten und Vocalisten David und genieße so in etwas ruhigerer und dennoch sehr emotionaler Art und Weise das fast zweistündige Konzert in vollen Zügen…
Fotos: FJØRT & Cocaine Piss beim c/o Pop Festival 2019
Transparenzhinweis: Ich durfte das Konzert kostenlos besuchen. Meine Persönliche Meinung vom Event bleibt davon unberührt.