[dropcap]J[/dropcap]a, auch wenn man es dem Wetter kaum anmerken mag, es ist Winter. Das bedeutet für den Zugverkehr natürlich wie zu fast jeder anderer Jahreszeit auch – Verspätungen und Ausfälle olé!
In unserem Fall trifft uns so mal wieder die Sperrung einer Teilstrecke und ein dank der Weihnachtseinkäufe hoffnungslos überfüllter Bahnhof. Doch uns bringt nichts aus der Ruhe – auf dem Weg zu GWLT ins Underground 2 in Köln kann uns nichts stoppen.
Hätten wir nicht im Vorfeld auf der Fahrt erfahren, welche Band an diesem Abend ebenso im Underground gastiert, wir wären sichtlich verwirrt gewesen. Optisch irgendetwas zwischen Emo und Hardcore, viele Piercings, fast so wie eine Mischung aus der Zielgruppe von RAWR! in Bochum und Eskimo Callboy bei Bochum Total 2014. Auch wenn wir GWLT dort bereits im Frühjahr gesehen hatten, wäre uns die Zielgruppe doch ein wenig ungewöhnlich vorgekommen. Aber so sieht es eben aus, wenn neben den Münchnern von GWLT auch noch die Deathcore-Combo We Butter the Bread with Butter spielt.
Nachdem wir den Kneipenbereich hinter uns gelassen haben, sind wir zunächst skeptisch. Der Raum hier soll sich noch füllen? Wir kennen ihn bereits von einem Konzert mit Parka. Da werden echte Erinnerungen wach. Gerade für so kleine Menschen wie Karolin bietet es sich an, auf dem Podest neben der Technik zu stehen und so die Lage überblicken zu können. Doch viel gibt es noch nicht zu sehen. Ein paar Männer, noch weniger Frauen. Na vielleicht sind die ja alle noch an der Bar. Wir warten ab und sehen uns den großartigen neuen Merch an. Wenn es nach mir ginge, würde ich mich eigentlich fast nur noch in deren Kleidung sehen lassen. Sogar warme Mützen mit abnehmbarer Bommel haben sie mittlerweile am Start. Eins ist klar: langweiligen Merch gibt’s wo anders, aber bei GWLT ganz sicher nicht.
Obwohl groß auf Facebook angekündigt, geht es natürlich nicht pünktlich um 21 Uhr los, sondern etwa eine Viertelstunde später. Doch das Warten lohnt sich, wird es doch plötzlich erstaunlich kuschelig und dennoch nicht zu eng im Club. Von Dreadlocks und Baggy Pants über typische Hardcore-Klischeemenschen (solltet ihr die Zielgruppe jemals gesehen haben, wisst ihr auf Anhieb, was ich meine) bis hin zu zierlichen Mädels hat sich hier so ziemlich alles eingefunden, was man optisch nicht zwangsläufig in das typische Publikum von GWLT einordnen würde. Doch das zeigt eben mal wieder, wie krass Musik mit einer guten und wichtigen Message und die Herzlichkeit der dahinter steckenden Menschen verschiedene Leute verbindet und an Abenden wie diesem zusammenbringt.
GWLT spielen knappe 70 Minuten lang ein Hardcore-Crossover-Set aus überwiegend neueren Songs und schwitzt sich dabei die Seele aus den Leibern. Das Publikum grölt beherzt mit, wo es nur geht und Roger Rekless wird zeitweise eins mit der ersten Reihe. Wenn sie nicht gerade nahezu buchstäblich an ihm klebt, so schreit die Reihe selbstbewusst die richtigen Texte ins Mikro. Man mosht und tanzt sich mit viel Schwung und doch sehr respektvoll durch die Gegend, jeder darf auf seine Art und Weise feiern und sei es nur durch ein zustimmendes Kopfnicken oder Bouncen.
Was mir bis heute die Gänsehaut augenblicklich zurückruft, ist jene eindrucksvolle Stelle des Konzerts:
Wir haben Glück, dass wir dort Leben, wo der Hunger durch das Öffnen eines Kühlschranks zu Ende ist. Wir haben Glück!
Wir haben Glück, dass wir den Lauf einer Waffe nicht an der Schläfe spüren mussten, als wir Kinder waren. Wir haben Glück!
Und wir haben nichts dafür getan. Kein Einziger von euch hat etwas dafür getan. Kein Einziger von uns hat etwas für dieses Glück getan.
Andere Menschen werden in die Misere geboren, in den Krieg hineingeboren, in den Hunger hineingeboren, sie haben Pech. […]
Glaubt mir, danach steht man erst einmal wie angewurzelt und mit großen Augen da und weiß gar nicht mehr so recht, was um einen geschieht. Diese Ansage geht durch Mark und Bein.
Neben den ganzen neuen Songs, die die Vorfreude auf das kommende Album „Stein und Eisen“ mehr als geweckt haben, kristallisiert sich der Freestyle als weiteres Highlight des Abends heraus. Was gibt es Schöneres, als wenn einem während eines Songs persönlich für den schon länger andauernden Support gedankt wird? Und überhaupt ist es einfach nur wunderschön anzusehen und anzuhören, wie sehr sich diese Band über all das positive Feedback freut und sich von Herzen bedankt. Wenn eine Band das lebt und liebt, was sie da macht, dann eindeutig GWLT. Und wer sich einen Abend lang mal voll und ganz lauterer Musik mit Sinn und Verstand hingeben möchte, der sollte diese Dudes unbedingt einmal bei einem Konzert besuchen.
Wir kommen auf jeden Fall wieder.
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