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Bei diesen vier Jungs ist von Glück zu reden, dass sie keine Raketenwissenschaftler geworden sind, denn sonst könnten wir euch dieses Interview leider nicht präsentieren.
Die Rede ist von der nordrhein-westfälischen Band Leitkegel. Wir haben uns drei Viertel der Jungs geschnappt und für euch herausgefunden, wer von ihnen unter anderem mit welcher Macke leben muss und wie Ihr euch Dates mit Daniel S. (Gesang), Hendrik (Schlagzeug) und Daniel H. (Gitarre) vorstellen könntet. Wundert euch nicht, denn Thorben (Bass) hatte leider keinen Senf mehr zum Dazugeben übrig.

Leitkegel
Credits: Marvin Boehm

In Deutschland Leitkegel“, in Österreich Hutterl“. Ihr habt
euch sicher nicht vom Verkehrszeichen für den Bandnamen inspirieren
lassen, oder?

Daniel S.: Doch.

Hendrik: So ein Verkehrshütchen spielte eine kleine Rolle in der Nacht unserer ersten gemeinsamen Probe. Die Suche nach tieferen metaphorischen Bedeutungen des
Namens kann man sich sparen. Es war einfach ein Ding. Ein Ding, das zufällig Symbol der ersten
wackeligen Versuche werden sollte.

Daniel H.: „Hutterl“ fände ich noch besser!

Ihr schreibt selbst, ihr spielt freud’schen Punk“. Wenn man euch noch
nie vorher gehört hat, wie würdet ihr eure Musik beschreiben?

Hendrik: Die häufigste und gleichzeitig schwierigste Frage. Grob: deutschsprachig, dem Post-Hardcore nahe. Indie ist mit drin, Post-Rock/Ambient war mal zu finden und generell dominiert die Wut im Bauch.

Daniel S.: Dieser Begriff geht auf Herrn Dendemann zurück, der in einem seiner Songs die Line „nenn‘ es Trotzphase, ich nenn‘ es freud’schen Punk“ spittete. Das find ich irgendwie gut. Unsere Musik ist zum Beispiel ja auch sehr trotzig. Bzw. eine Trotzreaktion auf einerseits den Mainstream
und andererseits diese verhärteten Szenen, die immer nur für sich sein wollen. Außerdem hätte Freud sicherlich Spaß an unseren Texten gehabt, würde ich mal vermuten.

Daniel H.: Ich glaube, er hätte sich gefreud.

Sex, Drugs and Rock’n’Roll – Ist dieses Lebensgefühl noch so im Musikbusiness erlebbar?

Hendrik: Wir leben nicht mehr in den 80ern und sind auch nicht Guns n Roses oder Mötley Crüe. Alkohol ist jedenfalls so omnipräsent wie in unserer ganzen Gesellschaft. Außerdem trinken unsere
Zuschauer meist massig Bier – wir machen da mit. Der Rest bewegt sich im Rahmen des normalen
Wahnsinns und ist unspektakulärer als die meisten denken. Außerdem geht es uns primär um Musik und nicht die Feierei. Wobei im „Business“ sicher mehr „gelebt“ wird als in vielen anderen
Bereichen… Außerdem geht es im „Business“ ums Geld. Davon sehen wir nix, sind also gar nicht Teil des „Business“, haha.

Daniel S.: Puh. Ich sag mal: da man heutzutage sowohl an das eine als auch das andere sowie an das letzte sehr schnell und sehr günstig rankommen kann, ist das sicherlich nicht auszuschließen. „5 Stunden Autobahn, 4 Stunden warten, 30 Minuten freud’scher Punk“ oder „Freunde, Bier und veganes Chili“ sind aber auch gute Lebensgefühle.

Daniel H.: Im Musikbusiness mit Sicherheit, aber glücklicherweise nicht in den Kreisen, in denen wir uns bewegen. Es gibt einige junge Menschen, die Bands starten, um genau dahin zu kommen. Da ist Musik dann aber Beiwerk wie die Herren-Boots, das V-Neck-Shirt oder seriös wie der EMP-Katalog.
Heutzutage müsste es außerdem eher „Sex, Drugs and Hip-Hop“ heißen.

Gleiches Unrecht für alle“ – Wie würde gleiches Recht für alle für euch aussehen?

Hendrik: Meinungs- und Redefreiheit sind ein unheimlich kostbares und schützenswertes Gut. Für uns als Band ist das definitiv ein fundamentales Recht, das jedem zustehen sollte und das wir in Anspruch nehmen. An dieses Recht knüpft sich ziemlich viel – ja, fast alles – an. Sich selbst Gedanken machen, sich äußern, leben und handeln können, muss uns allen offenstehen.

Daniel H.: Die Welt ist zu heterogen, um das pauschal sagen zu können… wenn man jetzt von westlichen kulturellen Errungenschaften ausgeht (Meinungsfreiheit, Achtung der Menschenwürde, Religionsfreiheit etc….): wer sagt, dass diese Rechte überall gleich gewollt sind? „Gleiches Recht für alle“ ist eine Utopie, würde aber für mich bedeuten: jeder Mensch besinnt sich auf das Gemeinwohl und lässt sich nicht von Hass, Angst oder Egoismus leiten. Puh.

Heutzutage sind die großen Vorbilder und Jugendhelden oft nur noch YouTube-Stars. Meint ihr, dass die Gesellschaft in der Zukunft mehr und mehr von YouTubern geprägt wird?

Hendrik: Ich habe keinen Bezug zu den neuen YouTube-„Stars“. Für manche sind jedoch die Leute von Nebenan, die einen Kanal hobbymäßig betreiben, relevanter als Pro Sieben und Co. Eigentlich eine spannende Entwicklung, aber viele Kanäle bzw. Videos, die so auf der YT-Startseite angepriesen werden, sind mir fremd. Ich werde alt…

Daniel S.: Bei YouTube geht ja viel über die Quantität. Wenn ich da „lustiges Katzenvideo“ eingebe, bekomme ich ca. 12.500 Suchergebnisse. Aber nur ein Bruchteil davon ist dann auch wirklich lustig (oder enthält wirklich Katzen). Ich schätze, so ähnlich läuft das auch mit den YouTube-„Stars“.
In Wirklichkeit habe ich zu denen aber keinen Bezug. Ich könnte dir jedenfalls keinen einzigen Namen nennen. Und wenn ich, als jemand, der gefühlte 26 Stunden am Tag auf YouTube abhängt, das schon nicht kann, kann deren Relevanz für die Gesellschaft nicht so hoch sein.

Daniel H.: Ich glaube, das ist eine Generationenfrage. Pummelige Jugendliche feiern „ihre“ Youtube-Stars, die Erwachsenen einfach zu doof sind (Y-Titty etc.). Auf den Videodays in Köln sieht man das ganz gut. Da werden irgendwelche gelangweilten Internatsschüler (Y-Titty etc.), deren Humor so bissig und klug ist wie der der Wise Guys, gefeiert wie Megastars. Nur dass, so hoffe ich, in fünf Jahren niemand mehr von diesen Plastik-Comedians spricht. Und da liegt der Unterschied zwischen „echten“ und Youtube-Stars.

Foto: Marvin Boehm
Credits: Marvin Boehm

Metallica und Iron Maiden werden noch immer als Headliner für große Festivals gebucht. Wie schätzt ihr die Lage ein – werden heutzutage noch Bands oder Künstler berühmt, die auch so ein Potential in sich tragen, in wer weiß wie vielen Jahren die Massen zu begeistern?

Hendrik: Potential ist definitiv zu finden, aber Potential muss gefördert werden. Die zwei Bands, die du genannt hast, sind seit ihrer Jugend Musiker und konnten wachsen. Sie haben sich ihren Status erarbeitet. Für viele junge Bands ist dies heutzutage nicht mehr so einfach, weil sich die Strukturen der Labels und der Förderung gewandelt haben. Da investiert kaum einer über Jahre, damit sich eine Band kreativ findet und experimentiert – zumindest auf hohem Niveau.
Andererseits besteht ja durchs Internet eine vielgepriesene Demokratisierung.
Kleine Bands können schnell und günstig die ganze Welt erreichen. Doch heute wie früher gilt: mach spannende Musik, treff einen Nerv, sei authentisch und reiß dir den Arsch auf. Der Rest ergibt sich, wenn Menschen deinen Kram lieben und andere damit anstecken.

Daniel S.: Ich schätze, die großen Labels wollen langfristig keine Künstler mehr aufbauen. Die schicken ihre A&R’s los, die mit irgendwas zurückkommen, das man kurzzeitig vermarkten kann. Alles auf Kurzweiligkeit und Profit getrimmt. Die kleinen Labels haben andererseits kaum die finanziellen Möglichkeiten, einen Künstler zu vermarkten – dafür aber das Herzblut. Es gibt einige Labels, die den Spagat dazwischen irgendwie hinbekommen. Also authentische Künstler fördern und gleichzeitig in den Charts oder zumindest den Feuilletons agieren.
Wie langfristig sich diese (sowohl Künstler als auch Labels) dann letztendlich etablieren können, wird dann die Zeit zeigen. Man sollte sich aber auch als Künstler nicht auf die faule Haut legen und denken „ach, mein Label/Booker/Vertrieb macht das schon!“.
Man kann ja auch selber mal aktiv werden. D.I.Y. und so. Einfach mal rausgehen und mit Menschen reden. Viel zu viel gutes Zeug bleibt ungehört in Proberäumen, weil die einfach ihre Hintern nicht hochbekommen. Trotzdem setzt sich – vorausgesetzt man hat das Durchhaltevermögen, das Engagement und die Nerven – Qualität dann aber doch durch. Oder der mit dem hipperen Musik-Video.

Daniel H.: Klar gibt es Bands, die sich heute gründen und von denen man noch in 30 Jahren sprechen wird, nur scheffeln diese nicht mehr so viel Kohle wie Metallica oder Iron Maiden.

Habt ihr musikalische Vorbilder, die bereits das erreicht haben, was ihr euch auch vorgenommen habt?

Hendrik: Wir haben alle ganz unterschiedliche Vorbilder. Ich finde sympathisch, wie Biffy Clyro sich über Jahre Freunde und Fans erspielt haben und nun mit weiterhin ziemlich guter Musik die Stadien ausverkaufen. Die haben das kapiert mit dem „sein Ding machen“ und dann natürlich noch Glück gehabt. Oder nicht nur Glück, sondern vor allem das gewisse Etwas. Ist aber auch wieder ein subjektiver Eindruck und einige Leser mögen Biffy Clyro ziemlich scheiße finden oder ihnen „sellout“ vorwerfen. Jedenfalls haben die es richtig gemacht. Sie machen noch immer mit ihren Freunden Musik und scheinen Spaß daran zu haben. Gleichzeitig erreichen sie viele Menschen und berühren sie mit ihrer Musik. Und können davon leben. Das ist für jeden Musiker erstrebenswert.

Daniel S.: Dazu müssten wir uns erst mal etwas vornehmen!

Daniel H.: No Heroes!

Wenn ihr nochmal von vorn als Band anfangen müsstet, würdet ihr heute etwas anders machen?

Hendrik: Schwer zu sagen. Irgendwie ist diese Band von Anfang etwas sehr tolles und bereicherndes für uns gewesen. Es hat uns allen von Beginn an Spaß gemacht. Wir haben uns auf unser Bauchgefühl verlassen und gemeinsam ein paar Songs in die Welt geschickt. Da uns immer  wieder einige Menschen wohlgesonnen waren, konnten wir schnell Konzerte spielen und unsere Musik veröffentlichen. Wir lernen Tag für Tag neu dazu und probieren uns aus. Letztlich ist jeder Schritt Resultat der vorherigen Schritte. Da gibt es kein großes Bedauern. Außerdem liegt am Ende nur sehr wenig in den eigenen Händen, außer unseren Instrumenten. Hier sollten wir vielleicht einiges anders machen. Nein – Scherz…

Daniel S.: Da alles, was uns passiert ist, uns in irgendeiner Art und Weise geformt hat, würde ich diese Frage verneinen, weil ich mit dem, was wir bisher geschafft haben, mehr als zufrieden bin. Natürlich gibt es immer so Kleinigkeiten, von denen man hinterher sagen könnte: „boah, da hätte ich aber dann doch eher so und so reagieren sollen, dann hätte das diese und jene Konsequenz gehabt statt der anderen“ – aber ändern kann man das ja nun eh nicht mehr. Das alte Leid der hypothetischen Fragestellung.

Daniel H.: Ich würde mich auf meine Karriere als DJ konzentrieren.

Wenn ihr ein Date organisieren müsstet – eher Bauwagenplatzromantikoder schick im Restaurant?

Hendrik: Das kommt auf die Frau an. Aber ich glaube eher ersteres. Es sei denn, sie zahlt.

Daniel S.: Flasche Wein, Baguette und Käse eingepackt, Frau geschnappt und dann ab an ein stehendes oder fließendes Gewässer. Oder auf den Weihnachtsmarkt!

Daniel H.: Zu den Eltern.

Jeder hat so seine Ecken und Kanten, auch wenn es nicht gleich vierzehn sind. Was sind eure Macken?

Hendrik: Nächste Frage! Nein. Lass es mich so sagen: Unsere Macken sind jeweils immer auch für etwas gut. Wir ergänzen uns da mit unseren Macken, Ticks und Schwächen.

Daniel S.: Muss ich hier meine oder eure Macken auflisten?

Daniel H.: Ich hab eine im Handy-Display!

Ist es manchmal wirklich besser zu kapitulieren? Wieso?

Hendrik: Natürlich. Wobei ich würde hier eher von „umdenken“ und nicht „kapitulieren“ sprechen.
Einsichtigkeit und Umkehr sind nicht immer Ausdruck von Versagen. Auch wenn das in Deutschland gerne mal so gesehen wird. Wenn’s nicht läuft, wenn’s Mist ist, wenn’s keinen Sinn mehr macht, dann gib (es) auf! Daraus entsteht wahrscheinlich etwas neues und besseres. Kapitulieren hat dann auch was mit Mut zu tun und das ist gut!

Daniel S.: Es gibt ein paar alte Binsenweisheiten, mit denen man das erklären könnte: „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“ oder „Der Klügere gibt nach“ zum Beispiel. Manchmal kann es einen vor größerem Schaden behüten, wenn man rechtzeitig einlenkt – auch, wenn andere das vielleicht doof finden mögen.

Daniel H.: Keiner ist perfekt, das darf man sich ruhig eingestehen.

Zum guten Schluss: Eure Nachricht an die Welt?

Hendrik: Habt euch lieb! Hört nicht auf Musiker!

Daniel S.: Redet miteinander, helft euch gegenseitig und habt euch gerne!

Daniel H.: Sagt „bitte“ und „danke“ und meint es auch so, kurwa!

Informationen zum Interview

Das Interview mit Hendrik und den beiden Daniels von Leitkegel fand im September 2014 via Mail statt.

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