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[dropcap]W[/dropcap]er kennt ihn nicht – Mark Forster, den Inbegriff des deutschsprachigen Mainstreams. Auch wenn das für mich eher ungewöhnlich scheint – Ich erzähle bereits seit Jahren immer wieder von ihm und der Kraft, die er mir mit seinen Songs für gewöhnlich gibt. Einen davon trage ich sogar für immer unter meiner Haut. Zu Recht und mit viel Stolz.

Doch das, was Mark Forster mit „Tape“ da neu auf den Musikmarkt geworfen hat, taugt in meinen Ohren bestenfalls als Tassenuntersetzer. Da kann ich tatsächlich nur von Glück reden, dass ich mir die CD nicht bestellt habe.

Wo sind Marks mitreißende Texte? Die großen Melodien? Die musikalische Relevanz? Das „Alter, wieso weißt du das alles aus meinem Leben“?

mark tape
Name Tape von Mark Forster
Erschienen am 03.06.2016 via Four Music (Sony Music)
Musikstil deutschsprachiger Pop
Für Fans von… Glasperlenspiel, Andreas Bourani
Spieldauer 51:28 min verteilt auf 14 Songs
Weitere Infos Facebook Mikroboy Webseite Schallgefluester Dreimillionen 7
zu erwerben via Amazon*, iTunes & Co.

Man kann es drehen und wenden wie man möchte: Die lichten Momente von „Tape“ kann man an einer Hand abzählen, der Großteil des dritten Forster-Albums wirkt viel zu gewollt jugendlich-frech, gespickt mit Chorstimmen, Bläsern, eigenartigen Samples und viel zu vielen Wiederholungen. Fast so, als hätte Mark nicht viel zu sagen.

Ein ganz besonderes textliches Schmuckstück begegnet dem Hörer im Song „Natalie“: „Ach komm, jetzt zieh‘ nicht so ’ne Fick-dich-Fresse.“ Klar musste ich da auch kurz schmunzeln, doch hinsichtlich seiner Zielgruppe und seinen bisherigen Tracks bereitet mir das schon irgendwie Bauchschmerzen.

Auch der eigentlich ganz süße Song „Chöre“ hält neben dem nervigen Chorpart (soso!) im Refrain so eine eigenartige Stelle in der zweiten Strophe parat: „Du hast da noch Konfetti in der Falte auf der Stirn.“ Das sind halt einfach so Sprüche, darüber schmunzelt man ein einziges Mal, danach wird’s peinlich.

Der Song „Selfie“, welcher mich von der Machart her ein wenig an „Hundert Stunden“ vom zweiten Album erinnert, beinhaltet hingegen ein richtig starkes Zitat, welches mir zumindest für einen Moment das vertraute Mark Forster Feeling zurück bringt: „Mein wahres Ich, ich will’s dir zeigen, doch nur mit Worten kann ich’s nicht beschreiben. Wie ich bin und wie du mich siehst, dazwischen gibt es einen Unterschied, ich nehm‘ die Kamera und halt‘ sie still, komm, ich schieß‘ für dich ’n klares Bild.“ Der Refrain klingt aber leider wie die dahingerotzte Definition des Wortes Selfie, so zur Sicherheit für all die Zuhörer, welchen dieser Begriff noch nicht im Alltag begegnet ist.

„Tape“ wirkt auf mich in der Tat ziemlich blass um die Nase. Krampfhaft, gewollt, so wir-müssen-jetzt-was-auf-den-Markt-hauen-und-bloß-nicht-die-gute-Laune-vergessen-mäßig. Nett gemeint, aber irgendwie befremdlich für Mark Forster Songs: Zahlreiche Referenzen von Darth Vader über Coldplay und dem kleinen Kevin und Rocky bis hin zu Marty McFly. Süß für die Song-Botschaften an sich, aber meiner Ansicht nach dann doch zu viel des Guten.

Soll das eigentlich Lena Meyer-Landrut bei „Die beste Nacht“ im Background sein? Klingt wie eine völlig überzogene Barbie auf Droge. Sorry Lena, aber lieber performst du deine eigenen Sachen, irgendwas mit Julien Bäm oder zeigst dich stumm im Video von MoTrip. Das steht dir wenigstens und karikiert dich nicht so eigenartig.

Sieht man mal von der vielleicht etwas zu einfach gehaltenen ersten Singleauskopplung „Wir sind groß“ ab, so lässt sich der Lichtblick des Albums im Song „Flüsterton“ verorten. Dieses Lied klingt so vom ersten Durchhören her nicht so krampfhaft konstruiert und einfach irgendwie noch nach dem Mark, den ich so zu schätzen gelernt habe. Hätte man ein weiteres Mal auf den unnötigen Chor verzichtet, der mir echt so meine Mark Forster Stimmung killt, würde „Willkommen zurück“ aufgrund der Streicher und des Ohrwurm-Refrains auch noch halbwegs positiv herausstechen.

Das Gute an diesem Album: Ich muss jetzt wohl nicht mehr so viel Geld für Mark Forster Konzerte ausgeben. Ein Ticketpreis von mehr als 40 statt ehemals knapp über 20 Euro hat mich ohnehin schon zum Stutzen gebracht. Ich bin die Letzte, die sich darüber beschwert, wenn Künstler angemessen bezahlt werden, gerade wenn man an die vielen Leute bei Mark denkt. Doch irgendwie ging diese Veränderung einfach viel zu rasant und intransparent vonstatten.

Einmal würde ich mir den Spaß vielleicht noch der Setlist zuliebe geben. Weitere Male? Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob es mir das wert wäre. Das müsste sich wohl erst in der Praxis zeigen. Vielleicht finden Mark Forster Konzerte und ich aber auch erst so richtig wieder zusammen, wenn der Geist des Ronald McDonald verschwunden und Försterchen langsam aber sicher wieder vom großen Hype runter gekommen ist. Das ist alles derzeit vielleicht doch zu viel…

Sorry Mark, aber „Tape“ ist für mich ein Album, das man sich immer und immer wieder schön hören muss, bei dem ich krampfhaft nach Favoriten suche, statt wie bei den anderen Alben nach Songs, die ich eventuell am schlechtesten finden könnte… die besten Lieder deines neuen Werkes sind in meinen Augen gerade mal so gut wie die Schwachpunkte deiner älteren Alben. Beides kann man an einer Hand abzählen…

Du weißt von unseren zahlreichen Treffen – ich wünsche dir alles erdenklich Gute auf dieser Welt, von mir aus auch mit diesem Album. Für mich ist „Tape“ trotzdem unter dem Strich ein Griff ins Klo.

Anspieltipps: SelfieFlüsterton

 

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