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Nur ein paar Stunden vor Konzertbeginn befinden wir uns inmitten eines Bermudadreiecks der Kommunikation. Interview oder nicht? Frust schieben oder auf den Abend freuen? Was erwartet uns denn jetzt eigentlich genau?

Doch trotz des miserablen Wetters und der etwas angeschlagenen Laune geht am Ende alles gut und so finden wir uns mit den pizzamampfenden Österreichern von The Gogets in der Kneipe des Kölner Underground wieder, um mit ihnen unter anderem über ihre unheimlichen Erfahrungen aus Russland zu sprechen.

Inhaltsverzeichnis

Jungs! Ich habe euch jetzt schon in gefühlt tausend Besetzungen gesehen. Wieso war es so ein wirres Durcheinander?

Dominik: Also, die tausend Besetzungen waren dann drei. Es ist so: Ich hab mit Gisi vor mehr als elf Jahren inzwischen die Band gegründet. Und ich würde mal sagen, dass wenn man es schafft elf Jahre lang so zusammen zu bleiben, ist das schon mal mehr als 95 Prozent aller anderen Bands, weil die sich vorher wieder auflösen. Wir waren echt richtige Kämpfer und haben das durchgezogen bis zum Ende und jetzt waren wir in einem Stadium angelangt, wo sich der Aufwand um die Band einfach maximiert hat. Eben durch den Albumrelease, durch die sehr sehr vielen Konzerte. Seit die Platte draußen ist, waren wir wahrscheinlich jede Woche mehr Tage unterwegs als zu Hause und die Allerjüngsten sind wir dann auch nicht mehr. Es ist bei Gisi einfach so, dass er gesagt hat „Macht’s weiter, macht’s ohne mich weiter, ich will euch nicht irgendwie in so einer heiklen Phase im Weg stehen“. Er hat andere Prioritäten. Das war jetzt einfach richtig viel und das muss man schon richtig wollen… ist schwer zu sagen…

Gregor: Es war halt mehr Frustration für ihn am Ende. Er hat das einfach nicht mehr alles unter einen Hut bringen können und hat gesagt, bevor wir dann Einschnitte machen und was nur halb machen können, sollen wir es ganz machen.

Bestehen Chancen, dass Gisi eines Tages wieder zurückkehrt oder schließt ihr das aus?

Dominik: Nein, das ist jetzt eine endgültige Sache und das ist auch gut so. Weil wir natürlich, wenn wir spielen, uns als funktionierende vollständige Band präsentieren wollen, die wir ja auch sind. Deswegen ziehen wir das jetzt so durch. Ich singe zwar jetzt, aber ich hab die Band auch mit gegründet. Also ist es auch relativ authentisch. Und es ist jetzt härter und wir alle wollen es auch härter.
(lacht)
So gesehen passt das auch.

Wie war das – hatte er vorher an den Texten großen Beitrag geleistet?

Dominik: Ja, er hat immer einen großen Beitrag zu Texten und Musik geleistet. Es war aber auch immer ein sehr gemeinschaftliches Projekt. Wir haben das meistens gemeinsam ausgearbeitet. Aber das heißt nicht, dass er in Zukunft bei manchen The Gogets-Produktionen seine Finger nicht im Spiel haben wird. Wir sind nach wie vor die besten Freunde, er macht gern Musik, kommt gern in den Proberaum, hängt mit uns ab und kommt zu unseren Konzerten. Er wird immer ein Teil dieser Band sein.

Nicht, dass sich jetzt euer Stil ändert, weil er nicht mehr da ist und das dann in eine ganz andere Richtung geht.

Gregor: Also, es ist nicht so, dass Gisi gar kein Teil des Ganzen mehr ist, aber es ist auch nicht so, dass er sozusagen der Ghostwriter ist und die Nummern dann im Hintergrund schreibt.

Dominik: Ja, absolut kein Ghostwriter! Aber man kann nach so einer langen Zeit auch nicht einfach so sagen „du bist jetzt nicht mehr Teil der Band“. Er ist mein ältester Freund. Er sitzt jetzt schlussendlich nicht dabei, aber im Herzen ist er stets bei uns.

Gregor: Er ist jetzt auch einfach anders tätig. Er macht Videos mit uns und schneidet Videos für uns.

Dominik: Ja… Gisi ist halt nicht mehr in der Live-Crew.

Wie sind die Reaktionen auf eure Umbesetzungen so ausgefallen?

Dominik: Wir haben jetzt auch in Wien gespielt, wo viele alte Fans da waren und das war durch die Bande positiv. Man hat gemerkt, dass wir richtig Bock haben und dass da jetzt richtig viel Energie drinsteckt, dass wir nicht mit angezogener Handbremse fahren. Gestern hat jemand gesagt, der uns schon zehn mal gesehen hat, „Also bei manchen Nummern fällt es gar nicht so auf“. Es wird jetzt Leute geben, die sagen „Oar, das find ich geil“ und es wird auch Leute geben, die das Gegenteil sagen. Aber man kann es sowieso nicht allen recht machen.

Gregor: Um auf Luci zurückzukommen, der zwischenzeitlich kurz dabei war. Da war das Feedback so „Extrem geile Stimme, mega Sänger. Aber es passt halt stilistisch nicht so rein“. Und das Feedback jetzt ist eben, dass das mit Dominik viel authentischer klingt und dass es jetzt wieder viel mehr nach The Gogets klingt als mit Luci. Was überhaupt kein Diss Luci gegenüber sein soll! Er ist ein mega Sänger. Er hat das angetestet, hat gesagt, dass es ihm zu viel Aufwand ist.

Ihr habt in letzter Zeit unglaublich coole Länder bereist – Italien und Russland zum Beispiel – gibt es grundlegende Unterschiede zu Konzerten in Österreich oder Deutschland?

Dominik: Also zu Russland… Russland ist extrem geil konzerttechnisch. Die Russen gehen total ab. Die sind nicht so übersättigt wie hier in Europa und das merkt man. Das ist was ganz Besonderes. Ein Promoter hat uns begrüßt und gesagt „Schön, dass ihr hier seid. Nur eine kleine Randbemerkung: ihr seid die Ersten aus dem Ausland.“ Es war noch nie einer aus Europa da! Das war in so einer Provinzstadt – nicht klein, es war schon eine etwas größere Stadt, aber ja… die Stimmung dort war der Hammer! Als würde eine Bombe einschlagen!

Gregor: Als würden Guns’N’Roses spielen.
(Gelächter)

Also könnt ihr euch das durchaus vorstellen, das so weiterzumachen? Mehr im Ausland zu touren?

Dominik: Sicher! Ja! Da wollen wir hin.
(zu Roman)
Willst du noch was zu Italien sagen?

Roman: Ja Italien… das ist mehr ein Tourlaub – also mehr ein Urlaub als eine Tour. Es ist alles sehr schön. Das Essen ist geil. Es ist viel wärmer als bei uns und es ist auch viel schöner als bei uns.
(lacht)
Wir fahren im Frühjahr auf jeden Fall wieder hin. Rom ist erst mal geplant. Also, wir werden uns eher auf die Länder konzentrieren, wo man auch richtig schön urlauben kann. Vielleicht machen wir mal so Mauritius, Malediven… Ballermann! Wir waren auch schon in Malaysia. Aber da geht noch mehr! … Dom Rep… Karibik-Rundfahrt. Oder vielleicht spielen wir mal auf so einem Kreuzschiff!
(lacht)

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Das wär’s natürlich! Wie kam eigentlich euer Kontakt zu Marathonmann zustande und dass sie gesagt haben „Ihr kommt mit auf Tour!“?

Dominik: Jetzt muss ich ein bisschen ausholen: Wir sind keine Freunde der Musikindustrie und des Musikbusiness. Wir sind lang genug dabei und kennen die Schattenseiten dieser Angelegenheit. Deswegen finden wir es erfrischend, wenn eine Band einfach im Internet – wir kannten sie vorher gar nicht – was entdeckt und sagt „Hey, das ist geil! Die will ich mitnehmen!“. So gesehen kam eine formlose Email. Das ist in Zeiten von „Zahl mir so und so viel, dass du da und da spielen darfst“, was alles schon angeboten wurde und wir nicht machen wollen, natürlich umso geiler. Wir haben sie dann im Sommer in Bochum das erste Mal getroffen und nachdem wir sie auf ihre Trinkfestigkeit geprüft haben, haben wir uns dafür entschieden mitzukommen.
(Gelächter)

Aber erst danach, ne?

Dominik: Ja, na sicher!
(lacht)

Gregor: Das ist so ein Auswahlkriterium.

Du hast gerade das abgefuckte Musikbusiness angesprochen. Was hält euch dann so darin, dass ihr trotzdem Teil davon sein wollt und Musik macht?

Dominik: Wie meinst du das jetzt genau?

Dieses Abgefuckte. Ich hätte da teilweise echt keinen Bock drauf…

Dominik: Ja, es ist abgefuckt, aber genau das macht ja den Reiz, dass man immer mehr Bock drauf bekommt, je abgefuckter das Business wird.

Du stehst da drauf?!

Dominik: Jeder steht da drauf, sonst würde er keine Musik machen, glaube ich.

Es gibt ja auch so Musiker, die sagen, sie wollen es besser machen als die anderen und dann stört es die eben nicht so.

Dominik: Es kommt immer drauf an wie man es macht, glaub ich. Was man wirklich will und wo man seine Prioritäten setzt und ob man wirklich Bock drauf hat. Egal wie abgefuckt und schwierig dieses Business auch scheinen mag und ist auch… ja, das hat einen speziellen Reiz und es ist einfach geil Musik zu machen. Vor allem, wenn man es liebt auf der Bühne zu stehen da ist es Wurst, was alles rundherum passiert.

Wenn eure Musik eine Person wäre… wie sähe diese aus und was würde sie ausmachen?

Roman: Die wäre auf alle Fälle geil! Eine vollbusige, 90-60-90… äh… jetzt fällt mir nichts mehr ein.
(Gelächter)

Dominik: Okay, warte ich mach eine Kombi. Das wäre eine 90-60-90 Version von Reiner Calmund, Zwillingsbruder von Wölfi von den Kassierern und uns.
(noch mehr Gelächter)

Würde sie gerne Pizza essen?

Dominik: Ausschließlich Pizza! Deswegen wollen wir immer nach Italien fahren. Das geht pizzatechnisch doch am Besten ab.

„Better save than sorry“ – Vorsicht ist besser als Nachsicht. Haltet ihr lieber die Klappe oder seid ihr eher welche, die immer alles frei heraus sagen?

Dominik: Das ist die einzige Angst, die wir jetzt auf Tour haben, dass die Marathonmänner nachher sagen The Gogets… coole Mucke, aber die Typen hältst du nicht aus!“. Das ist zurzeit so die einzige Sorge, die so besteht. Aber ich glaube wir haben uns inzwischen durch – natürlich auch unseren langjährigen Aufenthalt in dieser Branche – unsere Hörner abgestoßen und ich glaube, wir haben relativ wenig Scheu das zu sagen, was wir uns denken. Ich glaube auch mit uns ist’s sehr lustig.

Aber es war auch eher ein Prozess?

Dominik: Natürlich. Als die ersten The Gogets-Konzerte stattfanden, war ich 16 und das ist halt anders, wenn man dann auf die Dreißiger zu geht. Die Persönlichkeit wurde auch durch das, was man macht, gefestigt und ich geniere mich nicht so zu sein, wie ich bin. Insofern sind wir einfach wir selbst und damit kommt man entweder klar oder eben nicht.

„Gained Noise“ – wisst ihr was „Noise“ unter anderem noch bedeutet?

Dominik: Außer Lärm und Geräusch…

Es kann noch Heroin im Slang bedeuten. Daher die Frage: Wie steht ihr so zu Drogen? Zum Beispiel so Legalisierung von Cannabis?

Dominik: Nachdem wir eigentlich alle Straight Edge sind…

Ernsthaft?

(Dominik hält seine Bierflasche hoch)
(Gelächter)
Dominik: Nee, also da gibt es keine Bandmeinung. Mein persönlicher Zugang dazu ist, dass da mit falscher Moral an die Sache rangegangen wird und ich finde, Alkohol ist ein mindestens viermal größeres Problem als Marihuana, wenn man das jetzt aus gesundheitlicher Sicht sieht. Da wird mit zweierlei Maß gemessen und da sollte man im Jahr 2014 vielleicht so weit sein, zu sagen „Hey, das bringt der Gesellschaft was und das ist einfach nur Geld verbrennen“, weil warum soll ich einen 17-Jährigen, der einmal in seinem Leben einen Ofen geraucht hat, mit der Polizei verfolgen. Ich seh das irgendwie differenziert inzwischen. Das heißt jetzt nicht „Oh mein Gott, legalisiert alles!“. Das soll’s bitte nicht sein, aber die Risiken, die manch andere legale Drogen mit sich bringen, sind ungleich größer als die illegalen Sachen. Für mein Empfinden ist das ein total falsches Verhältnis.

Gregor: Es wird halt nicht sachlich mit dem Thema umgegangen, sondern es wird einfach politisiert. Das eine Lager redet es gut und das andere sagt, es ist schlecht. Man sollte einfach mal sachlich die Dinge betrachten. Vielleicht würde man dann andere Dinge abschaffen.

Okay… Noch eine andere Meinung?

Dominik: (über Roman) Er dealt in seiner Freizeit. Den brauchste nicht fragen.
(lacht)
(über Christoph) … und er ist ein Junkie… sieh ihn dir an!

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Ihr seid schon so viel rumgekommen. Gibt es irgendwelche Schlagzeilen, die ihr gerne mal über euch lesen würdet?

Christoph: Österreichische Band auf der Straße erschossen.
(Gelächter)
… in Russland!

Dominik: Oder Gitarrist von Punkband nackt in Tankstelle aufgefunden.

Christoph: Aber das war eine Anspielung. Wenn wir in der Nacht in eine andere Stadt gefahren sind…

Dominik: Ja ja! Das war wirklich so! Dass die uns gewarnt haben. Wir haben gesagt, wir fahren jetzt los in die nächste Stadt und die Leute so „Oh mein Gott! Fahrt doch nicht in der Nacht“. Auf der Strecke ist es in den letzten Monaten öfter vorgekommen, dass Leuten einfach die Reifen mit Nägeln zerstört wurden und dann sind sie stehen geblieben, andere hingekommen und haben die erschossen und das Auto ausgeräumt. Das wäre sicher eine Schlagzeile die Runde gemacht hätte.

Aber das wäre jetzt keine, die ihr euch wünschen würdet, oder?

Dominik: (lacht) Nein, das nicht. Lieber… The Gogets erhalten Friedensnobelpreis oder Oscar für bester Nebendarsteller im The Gogets-Video.

Gregor: Die Gogets nehmen Album mit Dieter Bohlen auf!

Gibt es irgendeinen Tourstopp, bei dem ihr sagt „Wow, das war bisher das unübertroffene Ding“?

Dominik: Also, in Russland gab es eine Stadt, wo uns schon bei Ankunft die Leute gesagt haben, dass seit Wochen über nichts anderes gesprochen wird… weiter gibt’s eigentlich nichts… nee, Spaß!
(lacht)
Es gibt eigentlich immer wieder so lustige Sachen. Das soll jetzt nicht blöd klingen, aber man vergisst halt immer extrem viel.
(Denkpause)
Wenn es Backstage auf einmal einen Masseur gibt, dann beginnst du dir zu denken ‚Geil!‘. Hätte ich gewusst, dass die dort meine Schmutzwäsche waschen, dann hätte ich die glatt mitgenommen!

Gregor: Aber ich glaube, dass dann so ein bisschen der Spirit verloren gehen würde mit Masseuren und so.

Ihr könntet eine Nacht lang machen, was ihr wollt und tragt dabei keine Konsequenzen. Was würdet ihr tun?

Dominik: Sowas machen wir eigentlich jede Nacht.

Roman: Ich würde was tun, aber ich würde es niemals erwähnen!

Dominik: Ich glaub, es muss jetzt nichts Illegales sein. Wir haben immer viel Spaß, wenn wir unterwegs sind und solange der Spaß da ist, hat man auch Bock, weiterhin wegzufahren. Wenn der Spaß mal nicht mehr da ist, dann können die Konzerte noch so fett sein, ich glaub dann macht es einfach keine Laune mehr. Aber wir haben richtig viel Spaß.

Eine Message an die Welt, an eure Mütter und so weiter – was wollt ihr noch loswerden? Ihr könnt sagen, was ihr wollt… „Kauft unser Album“ oder sonst was…

Dominik: Ja! Kauft unser Album!
(Gelächter)
Unterstützt Bands, die auf Tour sind, denn das kostet verdammt viel Kohle. Und deswegen geht mehr zu Konzerten. Wenn ihr seht, es ist eine Band in der Stadt, dann geht da hin. Die brauchen die Asche.

Gregor: Schaut euch das Konzert an, anstatt mit dem Handy mitzufilmen.

Dominik: Kauft mehr CDs!

Um den Jungs ihre Wünsche zu erfüllen, solltet Ihr die Band ruhig mal auf den üblichen Netzwerken heimsuchen bald schon werden ein paar sommerliche Festivaltermine bekanntgegeben. Stay tuned!

Informationen zum Interview

Das Interview mit The Gogets fand am 07. Dezember 2014 in Köln statt.
Interview: Tini | Transkription: Karolin | Reinschrift: Tini

Dankeschöns

Ein großes Dankeschön gilt The Gogets, die sich trotz Pizza-Date die Zeit für das Interview genommen haben.

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