[dropcap]I[/dropcap]n all der Hitze der letzten Wochen gab es gefühlt einen einzigen Augenblick, der sich standhaft wehrte und sich von einer etwas anderen Seite präsentierte. Und an genau diesem Tag fand das Heart van Cleef Open Air in Hamburg statt. Ein paar Eindrücke.
Samstag, der 28. Juli 2018. Nach einiger wilder Spinnerei ist es heute soweit: Ich bin tatsächlich in Hamburg, um mit einem guten Freund das Heart van Cleef Open Air zu besuchen und ihm damit die Live-Performances von gleich drei meiner Lieblingsbands zeigen zu können. Da wir absolut keine Ahnung von Andrang und Größe des Festivalgeländes haben, machen wir uns lieber etwas eher in die Nähe der U-Bahnhaltestelle Sternschanze.
Den Eingang zum 45Hertz Platz entdecken wir eine knappe Stunde vor offiziellem Einlass. Entweder sind wir die größten Blindfische der Galaxie oder die einzigen zwei Hinweise auf den Veranstaltungsort sind doch tatsächlich nur ein kleines Pappschild mit der Aufschrift Eingang und ein eher ungünstig hängender Banner zur anstehenden ADAM ANGST Tour. Doch gefunden ist gefunden und für alle später ankommenden Menschen wird die Suche anhand der wartenden Menschen ja umso leichter.
Wir sitzen zunächst gemütlich auf dem Boden, knüpfen schnatternd Kontakte und erblicken die aufziehende Wolkenfront. Da kommt etwas auf uns zu… und das nicht zu knapp. Der Wind wird stärker, pustet uns Dreck und Blätter in die Gesichter. Es beginnt zu regnen. Die Sicherheitskräfte haben gerade erst ein paar metallene Schleusen aufgebaut, bieten uns nun aber ohne groß zu zögern Schutz unter den hölzernen Planken der Auffahrt in Richtung 45Hertz Platz.
Ein Pavillon droht wegzufliegen, es donnert und blitzt. „Immer schön lächeln, wenn es blitzt“, scherzt der Securitychef. Überhaupt wird das Beste aus der aktuellen Lage gemacht. Lockere Sprüche, Wasser und Bier machen die Runde durch die anstehende Meute. Wer dringend auf die Toilette muss, wird auf das Gelände eskortiert. Als schließlich Regenponchos mit dem Logo des Grand Hotel van Cleef verkauft werden, ist klar: Sobald sich die Wetterlage wieder einigermaßen beruhigt hat, findet das Festival auf jeden Fall statt. Hamburger*innen und Besucher*innen der Hansestadt sind alles, aber nicht aus Zucker.
Gerade einmal eine knappe halbe Stunde später als geplant steht in aller Selbstverständlichkeit Labelgründer Thees Uhlmann persönlich auf der Bühne, um das Publikum Willkommen zu heißen und eine Anekdote zur ersten Band des Tages zu erzählen. Das macht er an diesem Abend dann auch wirklich vor jedem einzelnen Konzert. Familiärer geht’s nicht.
Los geht’s mit KEELE aus Hamburg, die streng genommen eigentlich beim befreundeten Label Rookie Records unter Vertrag stehen, in Sachen Booking allerdings vom Grand Hotel van Cleef betreut werden. Es tut gut, die Jungs nach einem knappen Jahr endlich mal wieder live über die Bühne hüpfen zu sehen und so weit wie nur möglich die Texte mitzubrüllen. Bei all ihrer Energie und Leidenschaft frage ich mich doch ernsthaft immer wieder, wieso die Band noch nicht bekannter ist. Aber sagt mal, ist mein Hirn eingerostet oder stammt einer der Songs zumindest nicht vom Debütalbum Gut und dir?
Die Aufregung des bisherigen Hamburg-Aufenthalts noch nicht ganz verarbeitet, bemerke ich, dass ich während des Auftritts von Grillmaster Flash & die Jungs weniger aufnahmefähig bin als ich dachte. Nach den drei obligatorischen Songs im Graben ziehe ich mich mit einem Energydrink in der Hand mit meinen mittlerweile bereis zwei Begleitungen an einen etwas ruhigeren Ort des Festivals nahe des Merchandisingstands zurück und lausche der locker lässigen Rockmusik aus etwas Entfernung. Für coole Sitzmöglichkeiten zum Entspannen hat das Heart van Cleef mit Palettenmöbeln, Bierbänken und mindestens einem Sofa nämlich auf jeden Fall gesorgt. Während ich meine Blicke in die Ferne schweifen lasse, entdecke ich unter anderem auch einen Basketballkorb und einen Tischkicker auf dem Gelände. Das habe ich im Rahmen eines Festivals dieser Größenordnung auch noch nicht oft gesehen.
Sei es der Energydrink, sei es die Nervosität vor der in Kürze auftretenden Band – lange hält es mich nicht auf dem Sofa fest. Während in der Umbaupause unter anderem die Leoniden im Hintergrund gespielt werden, mache ich mich seelisch startklar und bete zum Himmel, dass das Wetter hält. Und es muckt auch gar nicht mehr großartig auf. Ist auch besser so!
Zum Live-Sound der Aachener Post-Hardcore-Kombo FJØRT kann ich schon kaum noch etwas Neues sagen. Die Drei liefern ab, ballern dem Hamburger Publikum einen brachialen Sound um die Ohren. Was mir allerdings auffällt: Im Gegensatz zu meinen Konzerten in Nordrhein-Westfalen und Hessen geht es hier weitaus ruhiger zu. An Stelle der obligatorischen Moshpits wird hier zwar auch mitgegrölt, aber eher im Takt genickt, als sich großartig durch die Gegend zu schubsen. Der guten Stimmung tut das absolut keinen Abbruch.
Doch da geht noch mehr. Wo sich das Publikum bei FJØRT noch von der ruhigeren Seite zeigte, gibt es bei ADAM ANGST keine Scheu mehr. Selbst ich vertraue meiner Begleitung nach den ersten drei Liedern mein Equipment an und stürze mich in den wohlverdienten Moshpit. Die Menschen um mich herum grölen sich und den Musikern auf der Bühne lückenlos die Texte von Songs wie Wunderbar oder Splitter von Granaten entgegen, ehe sie Frontmann Felix Schönfuß beinahe niedertrampeln. Eisern kämpft er sich auf die Bühne zurück, um dem Grand Hotel van Cleef ein ganz besonderes Geburtstagsständchen in Akustikversion zu trällern: …But don’t look back in anger I heard you say…
Für die Wetterumstände doch erstaunlich leicht bekleidet und nach Luft japsend sammel ich fix und fertig meine Begleitungen ein, um in mindestens genauso strahlende Gesichter zu blicken. In zwei Belangen sind wir uns einig: 01. So schön es wäre, aber die Aftershow-Party würden wir körperlich nicht mehr überleben und 02. Der Besuch des Heart van Cleef Open Airs war die verrückteste und zugleich beste Idee, die uns in letzter Zeit gekommen ist.
Doch selten kommt eine Veranstaltung absolut perfekt um die Ecke und so war es auch in diesem Fall. Abzüge in der B-Note hat das Heart van Cleef für den Bereich „Speisen und Getränke“ verdient. In der Facebook-Veranstaltung stand ausdrücklich, das Mitbringen nichtalkoholischer Fremdgetränke bis 1,5 Liter im Tetrapack sei erlaubt. Und was passiert? Die Securitykräfte knöpfen sie einem am Eingang doch ab. Lediglich ein organisatorischer Fauxpas?
Und mit dem Essen sah’s leider auch nicht so viel besser aus. Es könnte den besonderen Bedingungen bezüglich der vorherrschenden Wetterlage oder aber auch meiner leichten Sehschwäche geschuldet sein gewesen sein, aber auch die „zahlreichen Stände mit einem abwechslungsreichen Angebot an Speisen (…)“ müssen uns auch irgendwie durch die Lappen gegangen sein. Oder versteckte sich neben der Würstchenbude mit einem auf Nachfrage servierten Salat für heftige fünf Euro irgendwo noch ein alternatives Angebot an Speisen? Am Getränkeangebot gab es ansonsten absolut nichts zu meckern.
Aber wisst ihr was, Leute? Ihr könnt die Suche Beenden. Trotz dieser kleineren Kritikpunkte war das Festival einfach nur der absolute Wahnsinn. Eine schönere Geburtstagsfeier wird es nirgendwo mehr geben.
Disclaimer & Dankeschöns
Ein großes Dankeschön geht raus an Benni von Fleet Union, der mir das Fotografieren im Rahmen des Heart van Cleef ermöglich hat.
Darüber hinaus gehen die besten Grüße und tausend Dankeschöns raus an meinen Host Doom, Isabelle, Alex und Sabrina, sowie alle Menschen, mit denen ich mich sonst so vor Ort unterhalten habe.
Aufgrund der bisher undurchsichtigen Gesetzeslage habe ich größtenteils auf Publikumsfotos verzichtet. Sollte dennoch jemand auf einem Foto in der oben stehenden Galerie zu sehen sein und möchte so absolut nicht im Internet stehen, dann hilft eine kurze Mail an christin(at)schallgefluester(punkt)de und ich entferne besagtes Bildmaterial schnellstmöglich aus dem Beitrag.