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[dropcap]S[/dropcap]o langsam werden wir unsicher, ob wir hier wirklich richtig stehen. Es ist bereits eine halbe Stunde seit angeblichem Einlass zum Milliarden Konzert vergangen und irgendwie tut sich genau… nichts. Neben uns wird sich mit ein paar Schnäpschen warm getrunken, Andere recken ihre Nase an den einzigen Heizstrahler, der ohnehin nur den Größeren vergönnt ist. Verdammte Axt, ist das kalt und nass! Wieso will uns niemand hinein lassen? Genug Soundcheck für heute!

Gut genörgelt, Löwe. Ob wir gehört wurden? Jedenfalls dürfen wir jetzt endlich weiter gehen. Aus den höchstens dreißig Leuten sind jetzt dann doch noch so einige mehr geworden. Es verspricht, durchaus kuschelig im YUCA Köln zu werden.
Haben wir den Angstgegner „blödes Wetter“ nun eigentlich hinter uns gelassen, verfolgt uns sein kleiner Bruder „Kälte“ leider weiter nach drinnen. Aber gut, wir befinden uns hier unter einem Gewölbebogen. Hier muss das sicher so. Und immerhin wird so gut gelüftet, dass man hier nicht zu ersticken droht. Die Wände riechen sogar noch irgendwie nach neu, nach Möbelhaus. Eigentlich ein echt schönes Ding, dieser YUCA Club. Nur an der ziemlich teuren Garderobe könnte man eventuell arbeiten. Ich meine – zwei Euro pro Jacke? Echt jetzt?
Gibt’s jetzt nun eigentlich eine Vorband oder nicht? Wir sind ein wenig irritiert. Doch das Gewusel auf der Bühne spricht für sich. Solche Allüren, dass sie sich nicht vorher auf der Bühne zeigen würden, haben Milliarden nun gewiss (noch) nicht.

Die Vermutung bestätigt sich schließlich endgültig, als drei uns völlig unbekannte Menschen die Bühne betreten. Leider verstehen wir nicht allzu viel davon, was sie uns mitteilen möchten. Hätten wir sie doch länger den Sound checken lassen, so ein Mist! Aber irgendwie kriegen wir dann doch heraus, dass diese größtenteils recht tätowierten netten Typen da LIAN heißen und aus Wien stammen. Kann es sein, dass fast alle Bands Österreichs gefühlt aus Wien kommen oder sagen die das tatsächlich alle nur, weil wir hier in Deutschland sowieso nichts Anderes kennen würden?
Ich mag auf jeden Fall, was die Band da mit dem etwas zu lauten Schlagzeug von sich gibt. Ich verstehe hin und wieder ein paar Fetzen von eher so freundschaftlichen Themen. Sie erfinden das Rad gewiss nicht neu, klingen aber zwischen etwas „härterem“ Sprechgesang und ruhigeren Passagen und vor allem aufgrund so mancher Instrumentals so wie eine Mischung aus der Alex Mofa Gang und Marathonmann.
Etwas schade ist natürlich, dass sich das Publikum vermutlich nicht auf einen solchen Sound eingestellt hat. Dementsprechend bewegt sich eher die Minderheit und eine Person wird aufgrund des Mitwippens sogar direkt von Sänger Phil auf einen kostenlosen Drink an der Bar eingeladen. Auch mal ’ne Masche, Leute kennenzulernen!

Eine Umbaupause später steigt die Nervosität. Ich kenne Milliarden ja bereits von einem kleinen Gig in Berlin, wohingegen Karolin einfach aus Lust und Laune mitgekommen ist. Dementsprechend hoffe ich soo sehr, dass sie mich nicht komplett für blöd erklärt, wenn ich im Anschluss gleich vermutlich zu tanzen, grinsen und weinen anfange, weil mich diese Band irgendwie im positiven Sinne völlig fertig macht.

Dann geht es los und für mich bedeutet dies ein K.O. in der ersten Runde. „Vergiss mich nicht“. Damit habe ich nun gewiss nicht als Einstieg gerechnet. „Du bist alles, was es gibt, die Verzerrung und der Beat – bei dir ist Frieden, sonst ist Krieg, die Stille hat gesiegt. Vergiss mich nicht.“ Gänsehaut und Schnappatmung. Eine großartige Atmosphäre. Wenn das jetzt so weiter geht, dann werde ich für sehr lange geistig nicht mehr zu gebrauchen sein.

Die Stimmung nimmt nur an Fahrt auf und so verwundert es nicht, was an diesem Abend so vor sich geht. Schon kurze Zeit später begibt sich Ben auf den Tresen der Theke und findet sich anschließend gemeinsam mit Johannes inmitten des Publikums wieder. Es wird mitgesungen, wo es nur geht, getanzt, ja sogar gemosht, gefeiert.
Und obwohl so manch einer hier trotz des Rauchverbotes die eine oder andere Kippe genießt, bekomme ich so gut wie nichts davon mit, was zum Einen an der Guten Lüftung und zum Anderen der viel zu fesselnden Konzertatmosphäre liegen mag. Hier schafft das YUCA das, was so oft zu kurz kommt.

Was auch positiv auffällt, ist das Publikum an sich. Es gibt der Band nicht nur etwa den Schellenring zurück auf die Bühne. So wird Ben auch während eines Songs auch der Hut wieder aufgesetzt oder ein Bier aus der Menge gereicht. Ich kenne andere Bands, da wären wohl so ganz andere Dinge passiert und die Bandmitglieder vermutlich nur noch bestenfalls filetiert und komplett ausgenommen auf die Bühne zurückgekehrt – deshalb an dieser Stelle ein völlig ernst gemeintes Chapeau an Euch!

Ein großes Chapeau an die Band gibt es aber auch noch auszusprechen. So wird in einer Ansage klar, was sie von der aktuellen Politik und Pegida halten. Danke Leute für euer klares Statement gegen diese ekelhafte Lage und für Menschlichkeit!

Ebenso wird es noch einmal zuckersüß an diesem Abend. Auch wenn zwischen Ben und Johannes bereits das eine oder andere Mal eine ganz besondere Bindung zu spüren war, liegt die eigentliche Romantik des Abends bei wem anders in der Luft. Ben bittet einen sichtlich nervösen Herren in Milliarden-Fanshirt auf die Bühne. Er hat etwas Wichtiges zu sagen. Zwar fasst er sich ziemlich kurz, doch noch bevor er die wichtige Frage wirklich aussprechen kann, ist sich das Publikum bereits einig: Es wird bald geheiratet!
Gott sei Dank sagt die Auserwählte „Ja“. Jubel, Tränchen, Zuckerschock! Wir wünschen den frisch Verlobten alles Gute und danken allen Beteiligten für einen rundum gelungenen Abend, der unter tosendem Applaus und Zugaberufen endete. Wir sind uns nun sicher: Wer sich Milliarden nicht mindestens einmal live ansieht, der verpasst etwas ganz Großes.

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