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[dropcap]M[/dropcap]ira Wunder aus Stuttgart. Ja, irgendwie bleibt man mit dem Blick einfach an ihnen hängen. Schon allein das brachte Christin dazu, einmal genauer in die Musik der Vier hineinzuhören. Es folgt eine Rezension mit ungewöhnlich vielen musikalischen Referenzen.
Um die wichtigsten Dinge vorab zu klären – ja, auch mich beschlich der Gedanke, die Band wolle optisch an Jennifer Rostock erinnern oder zumindest auf den Zug solch einer auffälligen aufspringen. Ob gelungen oder nicht soll dabei jeder für sich selbst ausmachen – Aufmerksamkeit erregt Sängerin Alex mit ihrem Stil aber allemal, das sieht man ja an mir.

Mira Wunder - Alles auf Anfang
Name Alles auf Anfang von Mira Wunder ¹
Erschienen am 17.10.2014 via D7
Musikstil elektrisierender Deutschrock / deutscher Pop-Rock
Spieldauer 16:52 min verteilt auf 5 Songs
Weitere Infos Facebook Webseite Schallgefluester Dreimillionen 7
zu erwerben via Amazon*, iTunes & Co.

Als „neuer deutscher Indie“ bezeichnen Mira Wunder ihre Musik. Hmmja… irgendwie mag das in meinem Kopf noch nicht so recht zusammenpassen. Wie gut, dass sie von selbst weitere Bezeichnungen in den Raum werfen. Und ich werde fündig. „Elektrisierender Deutschrock“ trifft es meiner Ansicht nach schon besser, denn als wirklich neu oder innovativ empfinde ich die Musik tatsächlich nicht. Vielmehr finde ich mich in einem Flashback zurück in frühere Kindheitstage wieder. Irgendwie erinnern die Stuttgarter an eine etwas kraftvollere Variante von Luttenberger Klug, die Artikulation weckt Assoziationen zu Katja Aujeskys 200 Sachen, welche 2006 vor allem mit „Sekt zum Frühstück“ einen kleinen Hit landeten. Und um das alles noch etwas runder zu machen, wurde eine Spur von Luxuslärm daruntergemischt.
Auch das Cover der fünf Songs starken CD mit dem Titel „Alles auf Anfang“ lockt mit den eher ungewöhnlichen optischen Reizen der Sängerin, welche durch ihre Hornbrille mit Ombré-Farbverlauf, Tunnel im Ohr und vor allem ihre auffällig geschminkten Lippen sicher für etwas Aufsehen sorgt. Wenn ich ehrlich bin, so habe ich trotz erhöhtem Videokonsums einiger Beauty-Youtuber so etwas noch nie vorher gesehen. Auf dem unteren Part des Bildes befindet sich – halbtransparent mit Weiß hinterlegt – das Logo der Band. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, es hat etwas Unfertiges an sich. So sehr die Leerstellen des „R“ und des „A“ die Aufmerksamkeit vielleicht auf sich ziehen mögen, so doof finde ich das schlichtweg. Ich denke, ohne diese Spielerei würde alles ein wenig harmonischer wirken. Doch vielleicht ist es genau das, was die Band eben nicht möchte, wer weiß das schon außer sie selbst?
Was positiv auffällt – obwohl die CD nur fünf Titel beinhaltet, enthält sie ein schlicht gestaltetes Booklet mit Songtexten, Informationen und Danksagungen. Die Rückseite des Heftchens ist mit einem Bandfoto geschmückt, auf welchem klar wird, dass Sängerin Alex wohl das Zentrum der Band darstellen soll. Auf der Rückseite der CD-Hülle finden sich ein weiteres Foto aus diesem Shooting, sowie die Tracklist.
Optisch passt also alles schon irgendwie zusammen. Es wird daher Zeit für die inneren Werte.

„Wir sind bereit, die Frisur sitzt, noch schnell die Stiefel angezogen, seh‘ mal wieder super aus‘ klingt doch nicht abgehoben.“ Der Opener „Alles auf Anfang“ entpuppt sich als eine recht gut produzierte Mischung aus dem bereits erwähnten „Sekt zum Frühstück“ von 200 Sachen und „Feuer“ von Jennifer Rostock. Frecher Sprechgesang einer kraftvollen Frauenstimme, tanzbar, geht ins Ohr, bleibt aber irgendwie noch nicht so richtig da drin. Vielleicht braucht es zur endgültigen akustischen Zündung noch ein paar Plays mehr.
Der zweite Track „Irgendwie anders“ erinnert ebenfalls nicht nur vom Titel her an die Wahlberliner. Es beschleicht mich das Gefühl, als hätte ich so einen ähnlichen Song schon irgendwo anders aufgeschnappt, doch ich komme einfach nicht darauf. Allein aufgrund dieser Tatsache zwingt es mich irgendwie dazu, diesen Titel immer und immer wieder abzuspielen, um das Rätsel irgendwann endlich lösen zu können. Und nein, ich meine nicht nur „Irgendwo anders“ von der Band um Jennifer Weist… oder etwa doch?

„Straßen von Berlin“ flasht bisher irgendwie am meisten und entpuppt sich tatsächlich als kleiner radiotauglicher Ohrwurm. „Lass die Zeit perfekt sein, auch wenn es nicht echt scheint, komm lass uns flieh’n und die Lichter von Berlin anseh’n.“ Dieser Song hat etwas von Sommer, guter Laune, einzigartigen Erlebnissen und Christina Stürmer.

„4 Millionen Moleküle“ plätschert mir tatsächlich ein wenig zu sehr wie Warteschleifenmusik vor sich hin. Netter Sidekick ist der männliche Sprechgesangspart, der die sonst eher einfachere Struktur des Songs wieder etwas auflockert. Doch neben ein paar ganz netten Zeilen sind „yeah“ und „aha“ sind vielleicht auch nicht so ganz die reifsten Einwürfe, die man in solch einem Song tätigen kann. „Zwischen Millionen Molekülen treib ich niemals mehr allein“.
„Remmidemmi (Yippie yippie yeah)“ ist nicht etwa wieder eine Referenz auf einen bekannten Song – es handelt sich hierbei tatsächlich um ein Cover des bekannten Deichkind-Hits. Die eigentliche Intention des Originals geht zwar durch diese doch deutlich ruhigere und fast schon balladesk-jazzig angehauchte Version mit Klavier tatsächlich ein wenig verloren, jedoch wirkt der Titel so ungewöhnlich reif. Und das überrascht und macht ihn dann schon wieder in seiner ganz eigenen Art unglaublich reizvoll.

Mit dem Sound von Mira Wunder wird jetzt nicht unbedingt das Rad des deutschen Pop-Rocks neu erfunden, anhören kann man es sich aber auf jeden Fall, ohne Angst vor Ohrenkrebs haben zu müssen. Wem die erwähnten Künstler gut ins Ohr gehen, der wird mit den Stuttgartern auf jeden Fall auch seine Freude haben können.
Reinhören? Kann man mal machen, muss man aber auch nicht zwangsläufig.

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