Es geschehen noch Wunder! Auf dem diesjährigen Green Juice Festival in Bonn haben wir es leider nicht mehr geschafft. Dafür konnten wir Olli, dem Bassisten von Radio Havanna, nun in aller Ruhe die Fragen stellen, die uns schon seit dem Sommer unter den Nägeln brannten.
Wenn eure Musik eine Person wäre, wie würde sie aussehen und was würde sie ausmachen?
Gute Frage. Unsere Musik würde wahrscheinlich zu enge Hosen tragen, die immer im Schritt kneifen und Vans dazu. Sie hätte ein T-Shirt mit ‘nem politischen Slogan drauf an, das aber halb von einem karierten Styler-Hemd verdeckt werden würde. Auf einige entscheidende und markante Details würde sie allerdings großen Wert legen: Markenunterhosen, 3-Tage-Bart, Iro.
2005 habt ihr den Ökopeter besungen. Mittlerweile sind die Ökos aber gesellschaftlich integrierter und nicht mehr alle langhaarige Vegetarier in Sandaletten. Wie sähe Ökopeter heute für euch aus?
Aus heutiger Sicht würden wir wahrscheinlich keinen Text wie „Ökopeter“ mehr schreiben. Der kam damals mehr aus einer Laune heraus und sollte lustig sein, außerdem ist Peter ein sehr guter Freund von uns. Genau genommen sind wir selbst voll die Hippies: Die Hälfte der Band lebt vegan und vegetarisch, wir bewegen uns – wenn wir nicht gerade im Tourbus sitzen – größtenteils mit dem Fahrrad fort und wir trennen unseren Müll. Wir sind also selbst voll die Ökopeters!
Eure Musik ist seitdem vom Sound her massentauglicher geworden. Woran liegt das? Lebt der Punk in euch noch weiter?
Findest du? Ich denke, wir haben über all die Jahre relativ ähnliche Musik gemacht – melodischen, amerikanisch beeinflussten Punkrock mit deutschen Texten. Aber ja, die Wut, die für uns seit jeher eine wichtige Antriebsfeder war, die ist uns geblieben, schließlich ist die Welt ja noch nicht zu einem besseren Ort geworden. Vielleicht wissen wir aber heute genauer als früher, an wen man seine Wut adressieren kann.
Nach 12 Jahren Bandgeschichte… gibt es da noch unerfüllte Wünsche oder Träume?
Tatsächlich konnten wir im Jahr 2013 mit unserer kurzen US-Tour und dem Support-Konzert für die Toten Hosen zwei dicke Häkchen auf unseren Wunschzetteln machen. Trotzdem sind wir natürlich weit davon entfernt, sagen zu können, wir hätten „alles erreicht“. Es gibt noch einige Festivalbühnen in Deutschland, an denen noch kein Schweiß von uns klebt. Das müssen wir natürlich schnellstmöglich und dringend ändern.
Rettungsboot – Wie würde die Trauminsel aussehen, auf die ihr euch aus der Gesellschaft retten würdet?
Sie wäre wahrscheinlich abends ein Großstadt-Vergnügungspark mit irren Festen und tagsüber ein ruhiges, sonniges Waldstück am See. Man könnte tun, wozu man Lust hätte, ohne Angst vor einem schlechten Gewissen haben zu müssen; trotzdem würden alle respektvoll miteinander umgehen. Unsere Körper würden trotz der Exzesse nicht alt und unsere Gehirne nicht stumpf.
Wollt ihr in irgendeiner Art und Weise „unvergänglich“ sein und Spuren für die Nachwelt hinterlassen oder ist euch das gar nicht so wichtig? Mit der Musik habt ihr ja schon mal ganz gute Chancen, dass wer in x Jahren nochmal sagt „Ach, Radio Havanna vor 100 Jahren, die waren geil…“
Wir sind nicht so vermessen, zu glauben, dass unsere Musik absolut einzigartig, unverwechselbar und für die Ewigkeit geschaffen ist. Klar ist das ein schöner Gedanke: Leute in hundert Jahren hören unsere Alben und finden das gut und erhalten eine Vorstellung von der Zeit, in der wir gelebt haben. Aber am besten wäre, sie würden einfach denken: „Verdammt, die wussten vor hundert Jahren echt, wie man Partys schmeißt, eine coole Gang ist und das Meiste aus einem Moment rausholt.“
10 Milliarden Euro – was würdet ihr mit dem Geld anstellen?
Vergleiche die Antwort zur Trauminsel 🙂 Der Großteil des Geldes müsste natürlich für Erforschung und Entwicklung einer solchen Welt ausgegeben werden.
Das Geld ist verprasst – ihr fallt in ein tiefes Loch. Lasst ihr das Rumdümpeln zu oder seid ihr dauerpositiv und rafft euch sofort wieder auf, um weiter zu machen?
Ach, diese Band ist der lebende Beweis, dass Geld nicht zum Musikmachen gehört.
Stellt euch vor, während eurer Show passiert so ziemlich der Superlativ von Scheiße und die komplette Technik fällt aus. Wie geht ihr damit um?
Wir tun, was wir am besten können: Dümmlich grinsen, weiter spielen, so tun als würde alles völlig nach Plan laufen. Von den irritierten Blicken der Zuschauer nicht beirren lassen. Vom Bier nippen.
In welchen Situationen würdet ihr gern aus eurem eigenen Goldfischglas ausbrechen?
Eine Situation wie in der Frage zuvor. Ansonsten fühlen wir uns als Band nicht wirklich eingeengt in dem, was wir tun.
Ob gewaltbereiter Gitarrenschläger oder mit Sticks um sich werfender Drummer – wie würdet ihr euch bei einer Zombieapokalypse verteidigen?
Ob im Stau auf der Autobahn oder in Clubs: Wir halten uns ständig an belebten und dicht gedrängten Orten auf. Da Zombieapokalypsen hier bekanntlich zuerst zuschlagen, würden wir uns wahrscheinlich ziemlich schnell in die Horde der Untoten einreihen. Bevor wir allerdings abtreten, würde Fichte natürlich noch ein paar Angreifer mit seinem Iro auf die Hörner nehmen!
Und zum Schluss: „Schöne Grüße“. Platz für eure Message. Was wollt ihr der Welt da draußen sagen?
Freut euch auf UNSERE STADT BRENNT! Das ist unser neues Album und erscheint am 13. Februar 2015. Wir sind mächtig stolz drauf und sehr gespannt, wie ihr es findet!
Informationen zum Interview
Das Interview mit Olli von Radio Havanna fand im Dezember 2014 via Mail statt.