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[dropcap]H[/dropcap]alb oder gar nicht – fast wäre ich dem Albumtitel selbst auf den Leim gegangen. Wie oft habe ich meine Notizen zu dieser Rezension schon verloren… Doch nun mache ich endlich ernst – ich habe mich erneut mit der CD befasst und berichte Euch von meinen Eindrücken zum Debütalbum von Helgen.

Die erste gute Nachricht: Helgen kommen aus dem hohen Norden Deutschlands. Und wer meinen Blog verfolgt, der weiß, dass signifikant viele der guten Dinge aus Hamburg und Umgebung stammen. Die Messlatte liegt also von Haus aus ein bisschen höher als sonst.

Helgen – das sind Sänger Helge, Bassist Niklas und Trommler Timon. Die Drei lernten sich im Rahmen eines Popmusik-Studiengangs in Hannover kennen und begannen schnell, gemeinsam zu musizieren. Manchmal landeten sie dabei in einer Ferienhütte in Südschweden und ich finde, das sieht man ihnen irgendwie an. Helge und Niklas nahmen schon zu Kindeszeiten Instrumente in die Hand, die ich ohne Blick in die Suchmaschine niemals erkennen würde. Nur Timon blieb bis heute linear, wenn es um das Musizieren geht. Im Jahr 2014 wird aus Jammen, Trinken, Lachen und Pfeife rauchen eine Band samt erster EP, eigener Konzerte und allem drum und dran. Für das Album nahmen sich Helgen die nötige Zeit. Gut Ding will schließlich Weile haben, oder?

Fakten: Helgen – Halb oder gar nicht

Name Halb oder gar nicht ¹  von Helgen
Erschienen am 04. August 2017 via Chateau Lala/Broken Silence
Musikstil experimenteller deutschsprachiger Pop
Weitere Infos Facebook | Webseite | Instagram | YouTube
zu erwerben via Amazon*, iTunes und Co.

Innere Werte: Helgen – Halb oder gar nicht

Auf dem ersten Album von Helgen ist ganz schön viel los. Das startet mit so Kleinigkeiten wie dem Eröffnungstrack „Anfang“, der sich als genau das entpuppt, was man erwartet: Eine ganz zauberhaftes Intro, in dessen Vordergrund anfangs ein Klavier steht. Wenn es nach mir ginge, sollte genau daraus noch ein kompletter Song entstehen – Ich würde ihn wohl in Dauerschleife hören.
Danach geht’s erst so richtig los. Was mir auf Anhieb auffällt, ist die prägnante eher nasal klingende Stimme des Sängers Helge. Dazu gesellen sich überwiegend leichtere Töne irgendwo zwischen 70ern und neueren Bands wie Auletta, Radiopilot oder sogar Von Wegen Lisbeth. Es klingt handgemacht, experimentell und abwechslungsreich. Und trotzdem zieht sich ein roter Faden durch das Album, der mir ins Gesicht brüllt, dass dies keine andere als die Debüt-Platte der Band Helgen ist. Es gibt so viele spannende Kleinigkeiten zu entdecken, welche mich zunächst überfordert resignieren ließen. Doch von Mal zu Mal werde ich neugieriger und streife mit offenen Ohren durch die Songs. Die Parallelen von „Anfang“, „Schlecht“ und „Halb oder gar nicht“ etwa bleiben selbst meinem Nicht-Musikerinnen-Gehör nicht verborgen. „Gator“ und „12“ entpuppen sich als hübsche kleine Interludien, ersteres basslastig und grotesk verzerrt (R.I.P. Plattenspieler), zweiteres in Sachen Tonfolge meiner Ansicht nach fast ein wenig asiatisch angehaucht. Aber das sind nur meine Assoziationen.

Du gehst ein Risiko ein, vor allen auf die Schnauze zu fallen beim Versuch, du selbst zu sein.

Helgen klingen musikalisch größtenteils eher leichtfüßig und tanzbar, inhaltlich geht es aber um alles, nur nicht um Friede-Freude-Eierkuchen. Stattdessen werden typische Themen des Erwachsenwerdens und Erwachsenseins behandelt, etwa eine zum Scheitern verurteilte Liebe auf Distanz („Hamburg, Amsterdam“) oder falsche Freundschaften in Zeiten der sozialen Netzwerke („Lass uns Feinde sein“). Manchmal lohnt sich sogar ein zweiter Blick bestimmte Texte. „Lass uns Feinde sein“ lässt sich nämlich etwa neben der privaten zwischenmenschlichen Ebene genau so gut auf die heutige Musikindustrie beziehen. Und überhaupt geht es in der Musik von Helgen öfter mal um die Musik selbst, so auch in „Paul und Peter“:

Das mit der Musik, das führt doch zu nichts.
Hunger-, Hunger-, Hungertuch, das wär nichts für dich.
Das ist für Leute mit Tattoo, Leute mit Narben,
Scheidungskinder, die später Scheidungskinder haben.

Musik auf Deutsch ist für mich so etwas wie die Königsdisziplin. Als MuttersprachlerIn hört man da einfach noch einmal genauer hin. Und ich finde, Helgen jonglieren toll mit den Worten. Das Album „Halb oder gar nicht“ klingt an keiner Stelle kitschig und in jedem Song finden sich zitierungswürdige Zeilen. Man muss sich nur auf den experimentellen Stil einlassen.

Fazit: Helgen – Halb oder gar nicht

Auf den ersten und zweiten Blick mag die Musik von Helgen durchaus etwas überfordernd wirken. Auf „Halb oder gar nicht“ gibt es einfach so viele Sinneseindrücke zu entdecken, die man erst einmal für sich (ein)ordnen muss. Wer aber dran bleibt und vielleicht schon Bands wie Auletta oder Radiopilot mochte, heutzutage eventuell bei Von Wegen Lisbeth laut mitgrölt, der kann sich mit ruhigem Gewissen auch einmal das Debütalbum von Helgen anhören. Hier treffen Wortgewandtheit auf Alltag und Tanzbarkeit.
Ich persönlich kann mir die Musik zwar nicht in Dauerbeschallung anhören, bin aber dennoch sehr gespannt darauf, wie es mit dieser Band noch weiter gehen wird.

Anspieltipps: Fernsehturm, Nackt, Es passiert, Lass uns Feinde sein

Helgen auf Tour

Wie es das Schicksal so will, sind Helgen sogar gerade auf Tour. In folgenden Städten könnt Ihr sie in diesem Jahr noch live erleben und gern von mir grüßen:

09.10.2017 Hannover LUX
11.10.2017 Kiel Die Kieler Schaubude
12.10.2017 Rostock Helgas Stadtpalast
13.10.2017 Göttingen Nörgelbuff
14.10.2017 Stuttgart Café Galao
15.10.2017 Ludwigshafen Kulturzentrum dasHaus
17.10.2017 München Milla
18.10.2017 Frankfurt/Main Ponyhof
19.10.2017 Düsseldorf Pitcher
20.10.2017 Köln MStereo Wonderland
21.10.2017 Münster Café Sputnik
22.10.2017 Hamburg Knust

Tickets gibt’s wie immer beim lokalen Ticketdealer Eures Vertrauens oder beispielsweise via Eventim.

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