[dropcap]S[/dropcap]eit ich nach Nordrhein-Westfalen gekommen bin, neige ich immer mehr zu einem Lebensstil, der mir früher echt gefehlt hat. Kopf aus und einfach mal machen. Doch jetzt habe ich glücklicherweise umso mehr die Möglichkeit und Zeit dazu und genieße es in vollen Zügen. #Yolo oder so! Die meiste Zeit über geht das auch tatsächlich auf. So auch am Samstag, dem 18.07.2015 zu Torpus & The Art Directors und Thees Uhlmann & Band in der Kulturfabrik Krefeld.
Als ich morgens um acht Uhr meinen Zug in Richtung Ruhrpott betrete und mich über übermütige Rentner mit Sektflaschen in den Händen aufrege, ahne ich noch nicht, wie viel positive Energie in diesem Tag stecken soll. Ich bin müde und möchte eigentlich nur zu Karolin. Nach der Prüfungsphase habe ich mir eine Entspannungspause verdient, ich möchte meine freie Zeit genießen und das fernab meiner Studienstadt. Und wie geht das bitte besser als mit einem Konzert? Wir haben nur einen Tag zuvor davon erfahren, dass Thees Uhlmann in Krefeld spielt und fanden es keine schlechte Idee, sich diese musikalische Legende endlich einmal live anzusehen.
Lange Geschichte – kurzer Sinn – wir haben es garantiert nicht so geplant, doch die Umstände, wie wir nun tatsächlich auf das Konzert gelangen, sind so ominös und genial zugleich. Wäre dieses Label eine einzige Person, könnten wir Grand Hotel van Cleef dafür einfach nur abknutschen. Ihr seid zauberhaft! Danke!
Raus aus dem Dresden-Neustadt verdammt ähnlich sehenden Bahnhof, vorbei an überraschend viel Grün für eine Innenstadt und dem Magnapop (hallo GWLT, ich wäre dann jetzt Monate später auch endlich da! Kommt doch nochmal vorbei, ich warte auf euch!) sind wir zwar eigentlich viel zu früh an der Location, aber bei diesem schönen Wetter ist das genau genommen… völlig irrelevant. Die Zeit vergeht wie im Flug und so finden wir uns ziemlich flott im Inneren der Kulturfabrik wieder. Das mag allerdings wohl auch zu einem gewissen Anteil an den kompetenten Securitykräften am Einlass liegen. Chapeau!
Zugegebenermaßen hatten wir die uns ja doch ein wenig größer vorgestellt, aber Charme hat sie wirklich, diese Kulturfabrik. Dass der Merchandisingstand nun aber im einzigen für Normalsterbliche betretbaren Gang in Richtung Konzertsaal steht und dessen Verlauf folgt, halten wir für ziemlich blöd platziert. Stau nach dem Konzert vorprogrammiert! Doch noch befinden wir uns ja davor, also schnell Getränkchen an der Bar abgegriffen und in die etwa vierte Reihe gestellt. Das Warten bis zum Voract ist dann tatsächlich auch nur noch ein Klacks. Bald geht es los.
Die fünf Musiker sprechen auf Anhieb verschiedenste Sinne an. Der Sänger erinnert mich optisch extrem an irgendeinen anderen Musiker (ich gebe mich etwas später mit der Option „dem Sänger von Stilbruch“ zufrieden) und der Sound lässt mich ein heftiges Flashback erleben. Gerade als ich mich damit abgefunden habe, gedanklich mit meinen Eltern im Hochsommer Auto zu fahren und diese klassischen Radio-Rock-Oldies zu hören, wechselt der Stil verstärkt in Richtung der „alten“ Mumford & Sons, nur irgendwie mit ein wenig mehr Country-Einfluss.
Zwar hat sich der Sänger seine Stimme bei Straßenmusik bereits ziemlich versaut und will deshalb weniger quatschen, dem tatsächlichen Gesang tut das allerdings so keinen Abbruch. Die Band überzeugt uns mit ihrer Instrumentenvielfalt und starken Stimmen und wir wissen bis kurz nach dem Konzert noch nicht einmal ihren Namen.
Namen sind aber eh nur Schall und Rauch, weshalb wir uns wenig daran stören.
Stattdessen fällt mir plötzlich einer der Backliner ins Auge. Der sieht ja aus wie… nee, oder? Aufgrund der besonders erhöhten Fast-Doppelgänger-Dichte des Abends halte ich es zunächst nicht für möglich. Schließlich suche ich ein Foto heraus und nun ist aber auch Karo davon überzeugt. Thees Uhlmann hat den uns von Tonbandgerät bekannten Adam entführt! Wir hoffen, Thees kümmert sich gut um ihn. Doch der Herr wirkt äußerst gelassen in seinem Job, so schlecht kann es ihm nicht gehen.
Schließlich geht es mit einem epischen Intro los. Das könnte aus einem Fluch der Karibik Soundtrack stammen, so überragend und groß klingt es. Die Band betritt nach und nach die Bühne und die Show beginnt.
Wir müssen zugeben, wir haben Thees Uhlmann bisher lediglich bei einem Festival im Jahre 2013 verpasst, ein wenig Liedgut seiner Band Tomte sowie „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ und „& Jay-Z singt uns ein Lied“ gesuchtet und das war es dann quasi auch schon wieder.
Dementsprechend ergreift uns die Gänsehaut, als Thees sich als so unfassbar nervös outet, sodass er wirklich zittert und stammelt. Dass er ein gern gesehener Gast ist, ist nicht schwer zu erkennen, denn dieses verdammt dankbare Publikum ist von Anfang an voll dabei, singt lautstark mit, jubelt und applaudiert wie verrückt. Ich stehe dann auch für mindestens eine Liedlänge verdattert neben mir und kneife mir immer wieder selbst in den Arm, so irreal fühlt es sich an. Ich schüttel mich zurück ins wahre Leben und sehe mich um. Links neben mir Menschen im Alter meiner Eltern, gerade davor könnte so rein biologisch gesehen mein eigenes Kind stehen und rechts von uns schließlich die nette tanzende Omi von Nebenan. Irgendetwas muss dieser Thees doch abseits der Nervosität und der guten Musik noch haben, dass all diese von Grund auf so verschiedenen Menschen so vereint. Doch auch das wird uns schnell klar. Es ist nicht nur sein unverwechselbarer Tanzstil. Thees sprüht vor Charisma und guter Laune. Er liebt das, was er da tut, macht Späße und bereitet uns einen so abwechslungsreichen Abend. Ein großes Mysterium des Abends bleibt die Frage, wie er es so lange in der Lederjacke auf der Bühne aushält, doch auch dies ist irgendwann Geschichte, als er die endlich resignierend ablegt. Schließlich entdeckt er wen in der ersten Reihe, der seine Jacke noch länger an behält als er selbst und schenkt ihm deshalb seine in Krefeld kurz verloren geglaubten fünfzig Euro zum Spenden für einen guten Zweck. Dieser Mann hat Herz! Davon hat er sogar so viel, dass er seiner Mutter und seinem Freund Olli Schulz Songs widmet. Doch nicht bevor er beim Ablegen seiner Lederjacke einen auf Detlef D! Soost macht, sodass man es ihm fast abkaufen könnte. Kennt Ihr eigentlich schon das Abnehmprogramm von Thees Uhlmann?
So fies es klingen mag, aber Casper muss man an diesem Abend nicht vermissen, so souverän rappt das Nordlicht dessen Part von „& Jay-Z singt uns ein Lied“. Da bleibt mir echt die Spucke weg!
Was Thees wiederum zu wenig zu haben scheint und immer wieder betont, ist Sauerstoff. Es ist heiß, die Luft wird immer dicker und sein Stammeln verrückter und trotzdem so authentisch und einfach schön. Er kann es selbst kaum glauben, dass sich so viele Menschen an einem so schönen warmen Tag ausgerechnet zu seinem Konzert begeben haben, um dann auch noch so präsent zu sein und ihn und diese großartige Band so herzlich zu empfangen… aber es ist eben so.
Als wir gegen 23 Uhr die Location verlassen, schnappe ich am Rande des leicht schwerfälligen Menschenstroms nach Draußen den Namen der Vorband auf. Ich kann nur das erste Wort auf einem der Shirts erhaschen und trotzdem fällt es mir wie Schuppen von den Augen – Torpus & The Art Directors!
Ich grinse zufrieden vor mich hin und wir landen völlig unerwartet auf einer Beachparty. Auf dem kurzen Weg durch den feinen Sand überrascht mich Karolin. Während ich noch immer nach Worten für diesen Abend ringe, trifft sie eine völlig unerwartete Aussage: Dieser Abend hat sich für sie noch vor 3Plusss auf Platz eins der besten Konzerte katapultiert. Als bekennender Forster-Fan kann ich natürlich nicht komplett zustimmen, schreibe Herrn Uhlmann samt Band gedanklich aber nur knapp nach Mark Forster und Tonbandgerät auf der gleichen Stufe mit Chefket auf meine „die besten Live-Performances meines Lebens“-Liste.
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