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[dropcap]N[/dropcap]ormalerweise ist Siegen nun nicht gerade das Mekka der Musikfans. Hier und da finden immer mal wieder ganz nette Konzerte statt, doch prinzipiell fährt man für die meisten Gigs dann doch nach Köln oder in den Ruhrpott. Umso schöner also, dass an einem Dienstag im Mai mal wieder ein wenig mehr handgemachte Musik geboten wurde.

Ob im Rahmen des „Festival contre le racisme“ auf dem Haardter Berg mit der hiesigen Uni oder aber wesentlich intimer in einem Weidenauer Hof – an diesem Abend kam man in die unangenehme Lage der Qual der Wahl.
Da lohnt es sich natürlich, wenn man als Musiker schon in der Vergangenheit einen guten Eindruck hinterlassen hat. Und eben genau deshalb besuchte Christin den Tourstopp des Singer-Songwriters Tigeryouth. Mit im Reisegepäck: The TRUTH aus Berlin.

Über schlechte Stimmung kann man sich heute nicht beklagen. Im Gegenteil – das Wetter ist frühsommerlich, die Mägen nach dem Grillen voll und alle haben einfach Bock auf einen schönen gemütlichen Abend. Ob auf Bierbänken, herangetragenen Stühlen oder auf Decken – jeder hat es sich auf seine Art und Weise gemütlich gemacht, als Fabian alias The TRUTH so langsam aber sicher seine auffällige rote Fender Gitarre auspackt und seinen Verstärker platziert. Ein paar kleine Lautstärketests später legt er los und sorgt bereits für die erste Überraschung des Abends. Man sieht es ihm vielleicht nicht unbedingt an, aber mit seiner kraftvollen Stimme röhrt er beinahe problemlos gegen seine verstärkte Gitarre an. Das schindet Eindruck.

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Der bekennende und nicht zu überhörende Fan der Stones und Bruce Springsteens gibt sowohl eigene, als auch Coversongs zum Besten und besticht dabei durch eine Präsenz, dass man ihn einfach nur fasziniert ansehen kann. Nicht einmal kleine Ablenkungsmanöver durch im-falschen-Takt-Klatscherei bringen ihn großartig aus der Ruhe und so legt er einen wunderbaren souveränen Rock’n’Roll-Blues-Akustikauftritt hin.
Gefühlte zwei Zigarettenlängen später ist dann auch Tilman Benning alias Tigeryouth an der Reihe. Ohne Verstärker und mit frischen Saiten auf der mit einem „Apologies, I have none“-Sticker verzierten Akustikgitarre erzählt er stolz davon, dass dies der erste Open Air Gig für dieses Jahr sei. Und schnell sind alle froh, dass er es nicht wie in „Disko“ handhabt. „Ich will nicht raus geh‘n, ich will niemanden seh‘n, ich will mit niemandem reden und niemandem irgendwas erzähl‘n…“

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Ganz im Gegenteil. Er blüht so richtig auf. Wer den jungen Mann beim Singen so sieht, der wird zunächst vielleicht etwas verwirrt sein. Wieso verbiegt er sich denn so? Tilman selbst hat dafür keine wirkliche Erklärung, nimmt es selbst nicht einmal so intensiv wahr. Als Außenstehender liegt die Vermutung nahe, dass das alles überschüssige Energie ist, die unbedingt raus muss. Emotionen, die in ihm geweckt werden, welche sonst in ihm schlummern und über den kraftvollen Gesang, Gitarrenanschlag und eben auch die Bewegungen ihren Weg nach draußen finden müssen.
Wie dem auch sei – dieser Mann wirkt sympathisch und zieht sein Publikum bei gemütlicher Lagerfeueratmosphäre problemlos mit Musik und Charme in den Bann.
Seinen Song „Streichholz“ widmet er beispielsweise den anwesenden Studenten und animiert sie sogar teilweise zum – zugegebenermaßen etwas schüchternen – Mitsingen: „Ich hab noch nie gern mitgeschrieben, wenn der Lehrer was diktiert.“ Und selbst für die Erfüllung eines Liedwunsches ist er sich nicht zu schade. Das kommt an.
Seine unverkennbare kratzige Stimme, Texte mit Herz und Verstand. Man sieht und hört diesem wunderbaren Musiker einfach an, dass er wirklich fühlt, was er da von sich gibt.

Einer Sache ist man sich nach diesem Abend bewusst: für Fabi und Tilman ist Musik nicht nur eine Sache, sondern das Leben, das merkt man ihnen an. Und das ist etwas, was sich die Beiden unbedingt erhalten sollen. Denn das ist einfach nur wunderschön…

Weiterführende Links zu The TRUTH
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Weiterführende Links zu Tigeryouth
Webseite Facebook Bandcamp

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