[dropcap]Z[/dropcap]wei große Papierschiffchen am Bühnenrand, ein paar kleine fröhliche Mädchen, welche Konfetti in die Luft schmeißen und herzlich laut lachen. Was ist hier passiert? Was ging hier in den letzten Stunden vor sich?
Es ist kein großes Geheimnis. Wir befinden uns im Luxor in Köln, nur einen Steinwurf vom Südbahnhof entfernt. Wir schreiben den 15.11.2013 und vor einigen Minuten ging das Konzert der jungen Hamburger Band Tonbandgerät zu Ende. Christin war für schallgefluester (ehemals schallundrauchblog) mittendrin statt nur dabei.
Es ist 18.30 Uhr und eine Schlange junger Menschen reiht sich in Richtung des Nachbarclubs Blue Shell auf, plappern und strahlen vor sich hin. Ein Mann von der Security bäumt sich vor der Clubtür auf, schafft ein wenig Ordnung, kontrolliert erste Tickets und Taschen und lässt nach und nach die wartende Meute ins Luxor hinein. Vorbei am Merchandisingstand und der Garderobe geht es weiter in den Club. Links lädt die wunderschön beleuchtete Bar zu einem Drink ein, rechts einige Sitz- und Stehplätze zur puren Gemütlichkeit. Und dann gibt es da noch die Menschen, die sich direkt einen Platz vorn an der Bühne sichern und sich an der Absperrung versammeln. Der Club füllt sich langsam, aber stetig. Knapp eine Stunde nach Beginn des Einlasses ist er angenehm gefüllt. Viel voller darf es in diesem Raum fast gar nicht mehr werden.
Kurzer Instrumentencheck. Eine Gruppe von Mädchen in der ersten Reihe kreischt erschrocken. Nur wenige Augenblicke später stehen ein paar junge Männer auf der Bühne. Sänger und Gitarrist Adrian, Keyboarder und Backgroundrotkehlchen Peer, Bassist Christoph und Schlagzeuger Patrick. Chris, der Herr der E-Gitarre und zweiter Backgroundvokalist, ist an diesem Abend leider verhindert und muss sich so mit ein paar Erinnerungsfotos seiner Bandkollegen zufrieden geben. Knapp über eine halbe Stunde lang geben PAULY aus dem Raum Düsseldorf ihre selbstgeschrieben englischsprachigen Songs zum Besten und erinnern dabei an eine ganz eigene äußerst sympathische Mischung aus The Gaslight Anthem und Coldplay. Das kommt beim Publikum gut an, denn obwohl es Vorbands sonst ja eher schwer haben, wird diese Band herzlich bejubelt.
Auch wenn sich Adrian in Sachen Köln-Düsseldorf-Konflikt beinahe um Kopf und Kragen redet, werden am Ende des Auftritts sogar ein paar Rufe nach einer Zugabe laut, die an diesem Abend natürlich leider nicht erfüllt werden können. Aber handbesprayte Jutebeutel haben die Jungs am Merchandisingstand parat, außerdem Sticker, Poster und ein offenes Ohr für jeden interessierten Menschen, der sich zu ihnen traut. Das hinterlässt einen tollen Eindruck. Insgeheim ist die EP-Release-Show am 21.12.2013 im Düsseldorfer zakk sicherlich für den einen oder anderen Zuhörer vorgemerkt.
Es folgt eine Umbaupause. Keyboard und Schlagzeug der Vorband räumen fast wie von selbst ihre Plätze, schaffen Platz für die Bühnenshow der Hauptband. Ein paar Lichttests und ein kurzer nachträglicher Soundcheck folgen, ehe die passenden Getränke den Plätzen zugeordnet werden und der routinierte Konzertgänger weiß – gleich geht es los!
Plötzlich wird es dunkel, alles konzentriert sich auf ein paar Papierschiffchen: zum einen auf der beleuchteten Bass-Drum, zum anderen rechts und links von der Bühne.
Das Synthie-Klavier-Intro erklingt gemeinsam mit folgenden Worten Wilhelm Buschs…
Wo sich Ewigkeiten dehnen,
Hören die Gedanken auf,
Nur der Herzen frommes Sehnen
Ahnt, was ohne Zeitenlauf.
Wo wir waren, wo wir bleiben,
Sagt kein kluges Menschenwort;
Doch die Grübelgeister schreiben:
Bist du weg, so bleibe fort.
Lass dich nicht aufs neu gelüsten.
Was geschah, es wird geschehn.
Ewig an des Lebens Küsten
Wirst du scheiternd untergehn.
Die Band kommt auf die Bühne, passend zum Takt des Einstiegssongs „Wir bauen“ werden die Musiker durch erste Lichteffekte bestrahlt. Das Publikum singt vom allerersten Wort an lauthals mit.
Besonders für Sänger Ole scheint dies sehr überraschend zu sein. So gibt er schnell zu, dass er hin und wieder ein paar kleine Texthänger hat und sich daher während der Songs die erste Reihe genau ansieht, um zu wissen, wem man im Notfall den Text von den Lippen ablesen könnte. An diesem Abend kann er dazu beinahe jedes Gesicht aus der ersten und zweiten Reihe betrachten.
Eine unglaubliche Energie geht von der Bühne aus und steckt sofort den kompletten Club an. Es wird gesungen, getanzt, positive Emotionen werden frei. Das geschieht in einem so unglaublichen Maße, dass sich Ole immer wieder strahlend und absolut ungläubig durch die Haare fährt, die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und nach Worten ringt, während das Publikum nicht damit aufhört, nach einem Lied zu jubeln und zu klatschen. Die Band schöpft ihre volle musikalische Bandbreite aus, spielt das komplette Debütalbum „Heute ist für immer“. Während des Tourens mit den Songs dieser Platte entpuppte sich „Hirngespenster“ etwa zum großen Staunen der Band als absoluter Konzertliebling. An diesem Abend ist klar wieso: Gefühlt jeder in diesem Raum singt dieses Lied aus voller Kehle mit. Eine unbeschreibliche Szenerie.
Natürlich hat die Band auch noch ein paar weitere Highlights parat. Die Vier haben in diesem Jahr eine so großartige Festivalsaison erlebt, dass sie die passenden Gefühle in Form von Musik konservieren mussten. „Tic Tac Kamera“ heißt der Gute-Laune-Song, welcher diese Zeit unglaublich gelungen beschreibt und einen sofort wieder in Festivalstimmung versetzt.
Die Show der Band gestaltet sich im Allgemeinen wirklich lebhaft. So animiert Ole nicht nur zum Mitsingen oder schlägt mit Fans ein, er schnappt sich auch ein Handy eines Fans und filmt damit sich, seine Bandkollegen und das Publikum. Außerdem bedient er sich bei „Auf Drei“ einer Konfettikanone.
Dies sind nur einige der vielen Faktoren, die diese Band so jung und dynamisch wirken lassen. Zwar hat keines der Bandmitglieder bisher das Alter von 25 überschritten, aber wenn man sich einmal in der Welt umsieht, dann merkt man den frischen Wind, den Menschen wie diese in die Generation bringen. Tonbandgerät kämpfen gegen die starre Ernsthaftigkeit an, indem sie sich Kindheitsträume erfüllen: ein Video auf dem Jahrmarkt drehen, einen Kaugummiautomaten leeressen und mit bandeigenen Buttons befüllen, Abziehtattoos kreieren.
So fröhlich und jugendlich sie sich auch geben, so wunderschön schlicht präsentiert sich im Gegensatz dazu die erste Zugabe der Hamburger. Bei dieser geben Ole und Sophia ohne die zwei Anderen den Tonbangerät-Klassiker „Superman“ in einer gänsehautschürenden Akustikversion zum Besten. Dieses Lied stammt laut Bandaussage aus einer Zeit, zu der noch nicht einmal deren Freunde zu den Konzerten gekommen sind, welche dann abgebrochen werden mussten, da zu wenig zahlende Gäste vor Ort waren. Tonbandgerät sprechen diesem Song noch immer eine große Bedeutung zu. Und das hört man auch… „Du siehst mitgenommen aus, doch keiner da, der dich mitnimmt…“
Den gelungenen Abschluss des Abends bildet ein weiteres Lied, welches nicht auf dem Album vertreten ist. Mit „Ozean“ verabschiedet sich die Band von einem überglücklichen Publikum, welches die Vier am liebsten überhaupt nicht mehr gehen lassen würde. Doch ein Versprechen wird gemacht: Sie möchten so bald wie möglich wieder nach Köln kommen. Da für das Jahr 2014 ein neues Album geplant sein soll, stehen die Chancen darauf in der Tat gar nicht so schlecht.
Natürlich hat sich Christin die Band nach dem Auftritt noch geschnappt und darum gebeten, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. So schrieb Ole eins seiner liebsten Bandzitate samt Herzchen auf und verwies in Sachen Kreativität auf die Schwestern. Isa, der perfekte Beweis für „Kunst-Leistungskurs in der Schule, aber keine Ahnung wieso“ fügte ein lächelndes Tonbandgerät hinzu, während Sophia uns eine Schildkröte malte. Zu guter Letzt verewigte sich Jakob mit einem Papierschiffchen bei uns.
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