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[dropcap]A[/dropcap]lle Jahre wieder… regen sich die Leute über die Nominierten des ECHO Awards auf. Und wenn es nicht gerade um politische Querschläger geht, dann ist eine sinngemäße Aussage der absolute Dauerbrenner: Was für ein Scheiß. 

Mark Forster beim TAPE Open Air 2017 im Westfalenpark in Dortmund

So oft ich mich in den letzten Jahren wahrscheinlich selbst über den ECHO Musikpreis aufgeregt haben mag, denke ich mir mittlerweile: Es nervt. Und damit meine ich nicht den Award an sich, sondern vielmehr die stetig wiederkehrende Diskussion darum. Hirnbefreite Musik hier, 08/15-Pop und immer wieder dieselben Künstler da. Ich kann’s nicht mehr hören.

Fangen wir beim Urschleim an: Der ECHO ist ein deutscher Musikpreis und wird seit dem Jahr 1992 durch die Deutsche Phono-Akademie, eine Interessengemeinschaft der Tonträger-Industrie, vergeben. Heißt im Klartext: Ja, es geht hier ausdrücklich um kommerzielle Erfolge, also um Verkaufszahlen, Chartplatzierungen und Massengeschmack.
Die Nominierten werden auf Grundlage der Offiziellen Deutschen Top-100-Album-/Single-Charts durch GfK Entertainment ermittelt. Im Falle des ECHO 2018 geht es konkret um die Plattenverkäufe zwischen dem 03. März 2017 und dem 01. März 2018. Ob dieses Vorgehen nun noch zeitgemäß ist, sei jetzt mal so dahingestellt.
Prinzipiell kann jede(r) KünstlerIn nominiert werden, solange die Musik nicht durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index gesetzt wurde. Seit der heiß diskutierten Nominierung der politisch fragwürdigen Band Frei.Wild wurde zusätzlich ein unabhängiges Zusatzgremium ins Leben gerufen, das auf besonderen Wunsch des Vorstands hin zweifelhafte Einzelfälle auf Grundlage von Kunstfreiheit, gesellschaftlichen Normen und den Vorgaben des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) prüft und diese dann entweder zur Nominierung freigibt oder Veto einlegt.
Die Auswertung der Chartplatzierungen wird schließlich für jede Kategorie auf jeweils fünf KünstlerInnen lange Shortlists heruntergebrochen, aus welchen die knapp 500 Jurymitglieder für ihre FavoritInnen abstimmen können. Besagte Jury besteht neben dem Vorstand des Bundesverbands Musikindustrie (bzw. deren Vertretern im ECHO-Gremium) auch aus ehemaligen nationalen PreisträgerInnen und Nominierten, MusikhändlerInnen, VerlegerInnen, VeranstalterInnen oder anderen MitarbeiterInnen der Musikindustrie und Medienbranche, die sich in einem oder mehreren Genres gut auskennen und so in verschiedene Fachjurys eingeteilt werden. Neu ist seit 2018 die Zusatzregel, dass ehemals Nominierte und PreisträgerInnen einer bestimmten Kategorie bei erneuter Nominierung im aktuellen Jahr in dieser Kategorie nicht abstimmen können. So soll verhindert werden, dass sie eventuell für sich selbst voten. Ach und bevor ich’s vergesse – die Ermittlung von Nominierten und Gewinnern wird notariell beglaubigt.

Max Giesinger beim Campusfest 2016 der Universität Duisburg-Essen

Man kann den Leuten nun Pfusch unterstellen wie man möchte, man kann persönlich am Musikgeschmack Deutschlands zweifeln, weil man selbst (vermeintlich) „hochwertigere“ Musik hört. Ihr feiert gesellschaftskritische Schrammelsongs auf Vinyl? Schön für Euch, könnt ihr gern machen! Aber während dem Einen vielleicht bei einem ewig langen Post-Rock-Stück das Herz aufgeht und die Tränen fließen, verbinden Andere ihre emotionalen Ausbrüche nun mal eher mit einem deutlich leichter gestrickten Ohrwurm von Mark Forster. Und das ist mindestens genauso in Ordnung.
Ob BerufsmusikerInnen, HobbyschrammlerInnen oder komplett unbewandert – Musik steht jedem Menschen jeder Altersgruppe, jedem Bildungsstands und jeder Herkunft frei. Wieso muss man sich also zu einer vermeintlichen „Elite“ erheben und über den „bösen Mainstream“ herziehen? Haben wir es denn echt so nötig? Ihr setzt Euch für eine vielfältige Gesellschaft ein? Dann akzeptiert doch bitte auch, wenn Ihr beim Musikkonsum Wert auf andere Faktoren legt als andere Menschen da draußen.
Wenn nun da draußen also zahlenmäßig mehr Leute unterwegs sind, die gern Julia Engelmann, Helene Fischer und/oder Wincent Weiss hören und auch entsprechende Tonträger und Downloads kaufen, dann ist es doch auch nur fair, wenn diese KünstlerInnen im Rahmen einer entsprechenden Auszeichnung für ihren kommerziellen Erfolg prämiert werden. Ja, liebe Leute, auch das ist diese Demokratie, von der so viele reden. Und die tut in diesem Fall lange nicht so weh wie in der Politik. Den ECHO kann man tatsächlich auch einfach ignorieren, ohne gleich schlimme Konsequenzen für sein eigenes Leben befürchten zu müssen.

Und wenn Du da draußen diesen Musikpreis immer noch blöd findest, dann gibt es eigentlich nur zwei Wege: Nimm den Kack nicht so ernst oder kauf halt einfach die Musik Deiner favorisierten KünstlerInnen. Denn jeder Kassenbeleg, jede Rechnung ist ein Stimmzettel für diesen bösen ECHO, der einfach nur den Massengeschmack der (im musikalischen Bereich kaufwilligen) deutschen Bevölkerung widerspiegelt. Stell Dich nur vielleicht auch darauf ein, dass andere Leute Deine persönliche Lieblingsband für sich entdecken könnten und diese dann eventuell „Kommerz“ wird. Von Luft und Liebe wird auch in der Musikindustrie keine(r) satt. Ob sich manche MusikerInnen dann von „Sellouts“ verführen lassen, steht wiederum noch einmal auf einem ganz anderen Blatt geschrieben…

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