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Wie kannst du nur zum Neo Magazin Royale von Jan Böhmermann gehen und zwei Tage später Max Giesinger fotografieren? Machst du jetzt Satire? Hier nun endlich die Antwort und Eindrücke meines ersten Abends bei KulturPur28.

Seit Oktober 2013 lebe ich mittlerweile in Nordrhein-Westfalen. Und obwohl ich so viel unterwegs bin und gern unterschiedlichste Festivals für mich entdecke, habe ich es in all der Zeit nie geschafft, auch nur einmal den Katzensprung nach Hilchenbach zu überwinden, um dort das internationale Musik- und Theaterfestival KulturPur zu besuchen. Daran sollte sich 2018 endlich etwas ändern – allerdings nicht ohne Gegenstimmen.

Kennt ihr dieses Gefühl, dass sich die oftmals im normalen Alltag tolerantesten Leute wie absolute Musiknazis aufführen? Was habe ich anhören und lesen dürfen, als ich öffentlich machte, dass ich mal wieder zu einem Konzert von Max Giesinger gehe… und das, obwohl es eigentlich längst kein Geheimnis mehr sein sollte, dass ich ihn und seine Musik mag. Schon zweimal habe ich ihn im Rahmen von Schallgefluester fotografiert – einmal in der Werkstatt in Köln und ein anderes Mal auf dem Campusfest in Essen, wo ich die Einzige aus meinem Freundeskreis war, die sich erst den kompletten Auftritt von Max ansah, ehe sie rüber zu den Emil Bulls auf der Hauptbühne huschte.

Ganz ehrlich, Leute, macht euch doch endlich mal locker. Ja, ich mag Jan Böhmermann und saß in den letzten Wochen direkt zweimal in seiner Sendung. Ja, ich finde Menschen Leben Tanzen Welt lustig. Und dennoch sehe ich keinen Widerspruch darin, Musik wie jene von Max Giesinger zu mögen. Und vor allem versuche ich nicht, anderen Leuten vorzuschreiben, was sie gut zu finden haben und was nicht. Ich empfehle gern und äußere gern meine Meinung zu Musik, rede die Vorlieben Anderer aber auch nicht krampfhaft schlecht. Die Gründe dafür, Musik zu hören und zu mögen sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Elitäres Gehabe ist hier meiner Meinung nach absolut fehl am Platz.

Entschuldigt die lange Vorrede, kommen wir nun endlich zu den Erfahrungen meines ersten Besuchs bei KulturPur jemals.
Mein Trip beginnt am 18. Mai 2018 am ZOB in Siegen. Was KulturPur nämlich durchaus schlau gemacht hat, ist die Möglichkeit der Shuttlebusse. Wer also ein gültiges Veranstaltungsticket für den Tag besitzt, kann kostenfrei eine der zahlreichen Sonderbuslinien hinauf auf den Giller nutzen. Und das lohnt sich. Ich empfehle allerdings eine rechtzeitige Anreise, da es zu den Stoßzeiten doch ganz schön kuschelig werden kann…

Blick über das Gelände von KulturPur

Oben auf dem Giller angekommen, bekomme ich am Pressebüro sämtliche Informationen, die ich für den Abend brauche. An dieser Stelle muss ich den Organisator*Innen des Festivals ein riesiges Lob für die tolle Kooperation aussprechen. Was mir dabei übrigens auch positiv auffällt, ist die Kartenbörse direkt vor Ort. Hier werden Ticket-Angebote und Gesuche direkt am Eingang zum Festivalgelände samt telefonischer Kontaktmöglichkeit vermerkt und bei geglückter Vermittlung gestrichen.

Blick über das Gelände von KulturPur
Blick über das Gelände von KulturPur

Ich verschaffe mir einen kleinen Überblick über das KulturPur Gelände: Zahlreiche Essensangebote wirklich aller Richtungen (sogar vegane Burritos sind dabei!) treffen auf viel Grünfläche und die pompöse Zeltstadt. Der Eintritt in die Veranstaltungsräumlichkeiten erfolgt über das Mittelzelt, in welchem man übrigens auch zu große Gepäckstücke und Regenschirme abgeben und diverse Merchandisingartikel erwerben kann.

Die Wartezeit vertreibe ich mir mit einem netten Plausch und der Beobachtung des bunten Treibens. Wirklich viel kann man – abgesehen von diversen Ständen und Essensmöglichkeiten – an diesem Tag noch nicht außerhalb der Zelte erleben. Doch kein Problem, so ein bisschen frische Luft schadet nicht.

Der Einlass startet gegen 20 Uhr und verläuft für meine Begriffe wirklich vorbildlich. Weder Taschen-, noch Ticketkontrolle beanspruchen viel Zeit. Der Blick auf den Innenraum des großen Zeltes stimmt mich zuversichtlich: Große Bühne, genug Platz, mehrere Getränkestände an den Seiten der Bühne, ein ausreichend großer Bühnengraben. Als ich dann auch noch die mir längst von Instagram bekannte Fotografin Sarah Kaiser persönlich kennen lerne, weiß ich, dass der Abend nur toll werden kann – Also… abgesehen davon, dass mir einer der Fotografen unbedingt noch beibringen möchte, wie ich zu fotografieren habe. Mansplaining, also das herablassende ungebetene Geben von Tipps eines Mannes gegenüber einer seiner Meinung nach weniger informierten Frau, ist einfach nur unfassbar uncool, begegnet mir aber gerade in der Welt der Konzertfotografie immer mal wieder. Dafür können die Veranstalter*innen nichts, aber anmerken wollte ich es trotzdem an dieser Stelle mal.

Schnell besinne ich mich wieder darauf, wofür ich eigentlich vor Ort bin. Nach ein paar letzten Instruktionen seitens der Veranstalter*innen geht es los. Wie bei einem Scherenschnitt wirft Max Giesinger zunächst nur ein Schattenbild seiner selbst auf den Bühnenvorhang. Als dieser dann endlich fällt, geht meine eigentliche Arbeit los. Drei Songs lang konzentriere ich mich nun auf das, wofür ich hauptsächlich hier bin: Fotografieren und Mitsingen. Ja, ich gehöre zu jenen Fotograf*innen, die auch im Graben die Musik nicht komplett ausblenden können und wollen. Die Zeit da vorn rast mal wieder unfassbar und so finde ich mich ganz bald dann auch wie jede*r Andere auch inmitten des Publikums wieder.

Das Konzert ist ausverkauft und so voll das Zelt auch eigentlich sein mag, vermittelt es dennoch eine sehr intime Atmosphäre. Max Giesinger und seine Band geben sich sympathisch wie eh und je. Sie genießen das, was sie tun und ziehen damit das Publikum vollständig in ihren Bann. Auch wenn die Musiker in den letzten Jahren Einiges an Bühnenerfahrung angesammelt haben, sind auch sie nicht vor sympathischen Fehlern gefeit. Ob technische und textliche Hänger während des Songs Blutsbrüder, die man einfach mit einem lockeren Spruch auf den Lippen weglacht oder klägliche Versuche, auch nur ein Wort Siegerländer Platt zu lernen. Doch auch andere Überraschungen hat der gebürtige Badener im Petto: So singt er etwa gemeinsam mit dem Publikum ein Geburtstagsständchen für die Klavierlehrerin seines aus Burbach stammenden Keyboarders Klaus Sahm und schmettert im nächsten Moment Hits von Künstler*innen wie den Red Hot Chili Peppers, En Vogue und den 4 Non Blondes, die vermutlich längst nicht mehr alle Konzertbesucher*innen kennen. Damit verbunden stellt Max während seines knapp zweistündigen Konzerts erstaunt fest, was ich mich bis dahin noch nicht auszusprechen traute: „Ich könnte von einigen von euch der Vater sein!“ Das stimmt, denn das Publikum ist stellenweise doch ziemlich jung, was mit Sicherheit einerseits am Ruf von KulturPur als Familienfestival und andererseits am Juryplatz Giesingers in der bekannten Castingshow The Voice Kids liegen mag. Doch das schadet der Stimmung nicht. Ganz im Gegenteil: Gegen Ende der Show holt der Musiker ein paar seiner jungen Fans auf die Bühne, um gemeinsam mit ihnen seinen Hit 80 Millionen zu singen. Auch sonst scheut der 29-Jährige keineswegs den direkten Kontakt zu seinen Fans und nimmt immer wieder Bäder in der begeisterten Menge. Abgehoben dank großer Karriere? Von wegen!

Beste Grüße gehen raus an die großartige Fotografin Sarah Kaiser, die ich nun endlich mal persönlich kennenlernen durfte. Ein großes Dankeschön gilt auch Nadine und ihrer kleinen Familie für die tolle gemeinsame Zeit vor Ort samt persönlichem Shuttle Service zurück in die Stadt.

Disclaimer

Dieser Beitrag dient der Nachberichterstattung und ermöglichte mir einen (kostenfreien) Besuch der Veranstaltung. Abseits dieser Vereinbarung wurden keine Absprachen bezüglich der Beitragsinhalte getroffen. Sämtliche Veröffentlichungen zur Veranstaltung entsprechen meiner persönlichen Meinung.

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