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[dropcap]J[/dropcap]etzt wird’s unbequem: Farben/Schwarz veröffentlichen am 19. Januar ihre gnadenlos ehrliche EP „Drei“. Und die richtet sich sogar gegen sie selbst…
Größer, schneller, weiter, höher und immer nur noch mehr. Die Welt kriegt den Hals längst nicht mehr voll. Prestige, Egoismus und Bequemlichkeit spielen oftmals eine größere Rolle als Menschlichkeit, Gemeinschaft und ein respektvoller Umgang mit der Umwelt. Das Internet sorgt für eine noch raschere Verbreitung von Falschmeldungen, Angst, Hass und ungebetenen unangebrachten Meinungen.
Farben/Schwarz aus Hamburg beschäftigen sich auf ihrer neuen EP „Drei“ mit genau diesen Leiden der Gesellschaft. Aber fangen wir von vorn an…

Fakten: Farben/Schwarz – Drei

Farben/Schwarz drei
Name Drei von Farben/Schwarz
Erscheint am 19. Januar 2018 via Sportklub Rotter Damm
Musikstil deutschsprachige Musik zwischen Posthardcore, Postpunk & Alternative mit Indie-Einflüssen
Weitere Infos FacebookWebseite | Instagram | Twitter | YouTube
zu erwerben via Amazon*, iTunes und Co.

Innere Werte: Farben/Schwarz – Drei

Eigentlich wollten die Hamburger Musiker von Farben/Schwarz mit ihrer neusten EP ja nur musikalische Subgenre-Grenzen ausloten. Und dabei stießen sie auf eine Reihe an kritischer Themen, die sie und ihre Umwelt betreffen.

Los geht’s mit „Apokalypse Superior“. Musikalisch gesehen bewegen sich Farben/Schwarz hier mit abwechselnd wuchtigen und verspielteren E-Gitarren-Parts und mehreren Tempowechseln irgendwo zwischen Postpunk, Alternative und Indie. Mit dem bandtypischen energetischen Sprechgesang ballern Farben/Schwarz dem Zuhörer eine Abrechnung mit der schönen heilen Tourismuswelt um die Ohren. So eine klare Message war ich von der Band bisher noch gar nicht gewohnt.

Welle kommt – was soll’s,
Mai Tai bis zum Hals

Mit „Das dunkelste Bild“ driftet die Band noch ein bisschen mehr in den Bereich des Posthardcore mit punkigen und indiemäßigen Elementen. Während die Strophen mit recht gut verständlichem Sprechgesang und einem gemäßigten Tempo aufwarten, ballert die Band etwa im Refrain und den Zwischenparts sogar zum Teil mehrstimmig los und schafft so einen starken musikalischen Kontrast binnen des Songs, der sich auch auf die Textebene des Tracks übertragen lässt. Auf sehr eingängige Art wird hier nämlich deutlich, wie das Elend für viele Menschen nur von Bedeutung ist, wenn es sie selbst betrifft.
Wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte dieser Song musikalisch gesehen auch irgendwie von den ersten beiden Marathonmann-Alben stammen.

Wie kann’s sein, dass wir noch schlafen könn‘?

„Darfs ein bisschen fair sein“ ist die Vorab-Single der EP. Konsumkonsumkonsum im absoluten Überfluss, Produktionsbedingungen und Werbelügen – für mich ist dies einer der überraschendsten Songs von Farben/Schwarz. Das dazugehörige extrem aufwendige Lyricvideo habe ich ja jüngst schon als eins meiner zwei Videos des Jahres 2017 präsentiert und zudem kürzlich als Musikvideo des Monats gefeatured.

„Feuer mit Feuer“ beginnt wieder deutlich gemäßigter, nimmt aber bereits binnen der mit verspielten Gitarrenparts versetzten ersten Strophe tüchtig an Fahrt auf und spielt dann hin und wieder mit dem Tempo. Für mich punktet der Track besonders mit seiner sehr gut verteilten Mehrstimmigkeit. Was uns Farben/Schwarz mit diesem Song sagen wollen? Steh zu deinen Überzeugungen. Schrei sie raus.

Als Sahnehäubchen der EP ballert die Band noch einmal ein musikalisches Schwergewicht raus. Sei ruhig ein Blender aus dem Bilderbuch, dein „Stallgeruch“ verrät deine (soziale) Herkunft.

Bisher ging das doch immer (noch) gut
wenn man sich lang genug selbst betrügt
is‘ die Wahrheit das, was die Andern hör’n
und die woll’n das so
– sagst du dir

Fazit: Farben/Schwarz – Drei

„Drei“ ist musikalische Gesellschafts- und Konsumkritik. Wer den erhobenen Zeigefinger spürt, der sollte vielleicht wirklich mal damit anfangen, sich mit den angesprochenen Themen auseinanderzusetzen und zumindest ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Farben/Schwarz haben diesen Prozess auch durchgemacht und die Erfahrungen in fünf großartige Songs gesteckt, die thematisch kaum unterschiedlicher sein könnten und doch fabelhaft zusammen passen. Neben dem neuen textlichen Terrain hat die Band auch ihr musikalisches Repertoire erweitert, ohne dabei den eignen Sound zu verraten. Ich finde: Wer in 2018 immer noch keine Farben/Schwarz hört, der verpasst was.

Anspieltipps: Das dunkelste Bild, Darfs ein bisschen fair sein

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