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Sommersause 2016

[dropcap]W[/dropcap]echselhaftes Wetter begleitet uns auf unseren Fahrten zur Sommersause nach Dortmund. Während Karo aus Duisburg angereist kommt, düse ich von Siegen aus in die Stadt im Pott. Sonne und Regen, Grau und Blau sagen sich gegenseitig den Kampf an und wir sind bis zum Schluss auf die Lage direkt vor Ort gespannt.
In diesem Jahr sind wir von Anfang an bestens vorbereitet. Wir kennen den Weg zu den AWO Werkstätten bereits aus dem Vorjahr und sind aufgrund der unberechenbaren Launen der Natur wetterfest gekleidet.

Kurz vor Ankunft am Veranstaltungsgelände wird uns noch einmal persönlich der Weg gewiesen. Eine schöne Geste, auch wenn in diesem Jahr leider die Wegweiser von der Stadtbahnstation aus fehlen.
Nach einem kurzen Fußmarsch also am Ort des Geschehens angekommen, fühlen wir uns dann aber doch ins vergangene Jahr zurückversetzt. Hallo Sommersause, hallo Werkstätten der Arbeiterwohlfahrt Dortmund und hallo Sonne! Es scheint, als wären wir nie wirklich weg gewesen.
Auf den zweiten Blick stellen wir dann aber doch ein paar Veränderungen fest. So fällt etwa das große bunte Zirkuszelt auf, in welchem man Schutz vor Sonne und Regen suchen oder sich auch einfach mal ein bisschen ausruhen kann.

Die erste musikalische Darbietung der Sommersause 2016 kommt von Inklufusion. Das gemeinsame Musikprojekt der Jugendfreizeitstätte Marten und verschiedener Bethel-Einrichtungen hat sich längst einen kleinen Namen in der Region gemacht. Die Band gibt dem inklusiven Gedanken mit ihrer Mischung aus Rock, Pop und Hiphop eine Stimme: Ganz egal, woher du kommst oder welches Handicap du hast, du musst dich nicht verbiegen, um Akzeptanz zu erfahren.

Nach dem wirklich gelungenen Auftritt des Projekts rund um Luke Dylong erwartet die Besucher eine kurze Darbietung der Theatergruppe der Lebenshilfe mit ihren weißen Masken. Ich bin ehrlich, davon bekommen wir aus unserem gemütlichen Zirkuszelt mit den leckeren günstigen Pommes nicht allzu viel mit.

Die nächste musikalische Performance stammt von The Evergreen Donkey feat. Tanzfieber. Wie auch bereits im vergangenen Jahr fällt uns auf, wie sehr die Akteure sich darüber freuen, auf der Bühne zu stehen, sich vor einem Publikum zu bewegen und dafür Anerkennung zu bekommen. Ein Anblick, der Herzen erwärmt. In Anschluss daran spielen die Indie-Rocker The Evergreen Donkey auch noch etwas eigene Musik.

Es folgt der Starclub, die integrative Band der AWO-Werkstätten, mit einer Mischung aus Pop, Rock und Weltmusik. Ehrlich, authentisch, Starclub eben.

Das Trommelprojekt Bethel Regional & We Love Reggae lassen sich die gute Laune und ihren Auftritt trotz eines kurzen Regenschauers nicht vermiesen und locken mit ihrer guten Laune, den farbenfrohen Gewändern und der tanzbaren Musik nach einigen Minuten auch wieder die Sonne hervor.

Ich drehe eine Runde über das Gelände und entdecke die in diesem Jahr neu vorhandene Möglichkeit, mit ferngesteuerten Autos in einem abgesperrten Bereich herum zu düsen. Es kribbelt mir wirklich in den Fingern, doch ich zeige mich trotz meines Spieltriebs standhaft und bleibe lieber bei meinem Kameraauslöser. Auf meinem weiteren Streifzug entdecke ich wieder interessante Handwerkskünste, einen Foto-Stand, Dosenwerfen und eine Menge Essen.

Wo ich eigentlich eher eine Überzahl von Fußball-Fanoutfits erwartet habe, lässt sich ein ganz anderer Trend längst nicht mehr von der Hand weisen: Vom Pullover mit Sommersause-eigenem #MNSHSN-Button über auffällige T-Shirts und Regenjacken bis hin zur eher dezenten Bauchtasche – die Fans bekanntesten Acts des Abends sind nun wirklich nicht mehr zu übersehen. Auch wenn hier und da ein paar menschliche Deutschlandflaggen herumlaufen, die Sommersause ist zum Großteil voll mit treuen Thomaten. Das ist im Übrigen jene verrückte Fangruppe, welche innerhalb von nur 24 Stunden mehr als 115.000 Euro für die Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung eines Musik-Albums zusammengetragen hat.

Selbst ich werde immer nervöser. Knappe sieben bis acht Jahre ist es her, dass ich die Musik von Thomas Godoj wirklich intensiv gehört habe. Ihn nun nach dem Tag der Sachsen 2011 nach längerer Zeit noch einmal live erleben zu können, macht mich einfach zu neugierig und vorfreudig zugleich. Was hat sich in all den Jahren verändert? Wird mich die Musik noch immer so wie früher mitreißen können?

Die restlichen Minuten bis zum Auftritt ziehen sich für so manchen Fan wie Kaugummi in die Länge. Während Moderatorin Stefanie Kirsten Thomas noch mit der einen oder anderen eher ungewöhnlichen Aussage konfrontiert („Ich dachte nicht, dass Sie so nett sind […] weil Sie mal mit Dieter Bohlen zu tun hatten.“), herrscht auf der Bühne nun reges Treiben. Es müsste doch jetzt jeden Moment losgehen… und die Gebete so mancher Fans werden erhört. Ihr Idol betritt die Bühne.

Thomas Godoj beherrscht das Spiel mit dem Publikum nur allzu gut. Zu seiner sehr rockigen Setlist wird eifrig mitgewippt, gesungen, geklatscht oder natürlich auch dem Smartphone geknipst. Mich beschleicht das Gefühl, die Band konzentriere sich – im Kontrast zur einen oder anderen Studioversion – in der Live-Umsetzung auf klassische Rockelemente ohne außergewöhnliche Spielereien.
Vor der Darbietung des Songs „Nicht allein“ holt sich Thomas spontan weibliche Unterstützung durch die kleine Hailey, welche er den ganzen Song über grinsend im Arm behält. Ein Anblick, der einfach Jeden unweigerlich zum Schmunzeln bringt.
Highlight des Abends ist für die Meisten mit Sicherheit die Live-Premiere der Band-Version von Godojs brandneuer Single Mensch sein„*, die in diesem Jahr zum treffenden Motto der Sommersause auserkoren wurde.

Ich habe genug gesehen, geknipst, mitgesungen und mitgewippt. Wir entscheiden uns zum galanten Rückzug und kommen somit – Fußballspiel sei Dank – in den Genuss eines ungewöhnlich leeren Personennahverkehrs.

Mein Fazit zur Sommersause kann eigentlich kaum besser sein: Wer sich in einer familiären Atmosphäre wohler fühlt als auf den riesigen Festivals dieser Welt, wer Gemütlichkeit dem großen Trara vorzieht, der wird sich bei dieser Veranstaltung pudelwohl fühlen. Hier bist du auch ohne völlig ausufernden Alkoholkonsum einfach nur Mensch. Nicht schlechter, nicht besser und schon gar nicht seltsam. Du bist einfach nur du – und das ist auch gut so.

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