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[dropcap]E[/dropcap]igentlich hatte ich schon wochenlang ein ganz anderes Konzert für diesen Abend vorgesehen, doch als ich sah, dass sich die Gelegenheit sonst wohl nicht mehr so schnell bieten würde, plante ich um. Und was soll ich sagen? Es war wirklich gut so. Spaceman Spiff kann was; ob mit Enno Bunger oder wie dieses Mal lediglich in Begleitung seiner Cellistin Clara.

Skalitzer Straße, Privatclub Berlin. Gerade noch durch die komplette Stadt gehetzt, nun doch viel zu pünktlich hier. Stress kann ich mir machen! Nun sitze ich hier auf der Bühne und warte darauf, dass die musikalische Untermalung des Abends beginnt. Eine knappe Stunde lang muss ich warten, ehe sich etwas regt.

Zunächst erwartet uns Marcel Gein. Mein erster Gedanke: Der sieht David Frings von FJØRT & Adam Angst verdammt ähnlich! Lediglich die Statur und nicht vorhandene Tätowierungen unterscheiden Marcel so vom „Original“.
Er stellt sich ohne großes Klimbim auf die Bühne. Attraktiver Mann, schlichte Klamotten, kurzer Bart, Wuschelhaare, leicht lädierte Klampfe. Es klingt wie eine Entschuldigung, als er erklärt, dass er der Grund dafür sei, dass wir noch eine halbe Stunde länger auf Spaceman Spiff warten müssen.
Er zittert. Angeblich nicht aufgrund von Nervosität. Daran schuld sein sollen zu viel Kaffee, Mate und drei Bier. Also mich müsste man nach solch einer Dosis ja schon längst ins Krankenhaus fahren…
Da steht er nun also und legt mit seiner Reibeisenstimme los. Die klingt nun nicht ganz wie von einem Kettenraucher und Trinker, aber sie hat eben ihren ganz eigenen Charakter. Er singt auf Deutsch und Englisch, je nachdem, wie es ihm gerade passt. Er zitiert Heinrich Heine und covert Ryan Adams, für welchen er seinen Erzählungen nach fälschlicherweise einst Flugtickets ins „falsche“ London gebucht hatte.
Er besingt auch einen betrunkenen Mann in „Saarbrooklyn“. In Saarbrücken hat es Marcel nicht lang gehalten. Hamburg hält ihn mehr.
Ich würde ihn auch gern länger auf der Bühne haben. Ich bin ja ohnehin schon großer Fan von deutschsprachiger Musik und auch bei ihm gefallen mir jene Songs am besten. Klar revolutioniert er die Singer-Songwriter-Welt mit seiner Musik nicht, doch ich glaube, diesen Mann sollte man trotzdem in Auge und Ohr behalten.

In der Pause schaue ich mich nochmals im Club um. Obwohl mir dieser einen vor allem studentischen Eindruck verschafft, entdecke ich hier und da Ausnahmen: Teenager, Schwangere und so manch ein Mensch, den ich optisch nicht auf ein Spaceman Spiff Konzert gesteckt hätte.

Es ist Zeit für den Spaceman persönlich. Der hat seine bezaubernde Verstärkung Clara am Cello dabei, welche mich schon direkt zu Beginn mit ihrer wunderbar herzlichen Ausstrahlung begeistert. Ich schließe sie aufgrund ihres Lächelns auf Anhieb in mein Herz. Clara ist ’ne Gute!
Hannes, wie sich Kopf und Herz von Spaceman Spiff sonst so nennt, steht mit seiner Klampfe barfuß auf der Bühne. Das sei jetzt verrückterweise ein Zusatzkonzert, aber auf jeden Fall mit leicht anderer Setlist und manchmal sogar anderen Ansagen. Und so nimmt ein Programm seinen Lauf, der schöner kaum sein könnte. Es fühlt sich an wie unter Freunden, wenn Hannes jene Leute wiedererkennt, welche ihn in der U-Bahn noch gefragt hatten, wie man am besten zum Club käme. Zu dieser Zeit hatte er davon selbst kaum noch eine Ahnung.

Es ist heiß, wahnsinnig heiß. Dabei wird sich gar nicht so viel bewegt. Nur der Spaceman, der wippt auf seinen Füßen hin und her, federt auf und ab und fühlt seine Lieder. Lieder wie „Straßen“ und „Egal“, Songwünsche wie „Elefanten“ oder „Schnee“. Sein Cocktail wird durch Gurken- und Ingwereinlage zu so etwas wie gesund erklärt. Dann kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen. Die letzten Termine vor der Pause mit ungewisser Länge sollte er damit wohl gesundheitlich unbeschadet bestehen. Trotz allem wirkt er ein wenig wehmütig. Tut er damit das Richtige? Ist es gut, den Spaceman auch mal für eine unbestimmte Zeit Spaceman sein zu lassen? Man weiß es nicht.

Hannes könnte eigentlich auch instant mit einem neuen Job durchstarten, denn heute ist er Bierdeckelpostzusteller und überbringt einem Konzertgast eine Nachricht vom Konzertabend davor. Nur in der Nähe von Bremen will spontan keiner wen kennen, um neue Post in Umlauf bringen zu können. Klingt nach keinem durchsetzungsfähigen Geschäftsmodell für die Zukunft.

Was Hannes neben der extrem klaren Aussprache gut kann, ist Menschen ärgern. Er wundert sich regelrecht darüber, wie gesprächig Cellistin Clara auf der Bühne mittlerweile ist. War sie vor einigen Auftritten eher noch das stille Mäuschen, erzählt sie nun recht munter. Trotzdem ist Hannes eher so die Plaudertasche. Er verrät, Clara habe ihre Tourerei mit Spaceman als Praxissemester für ihr musikpädagogisches Studium anrechnen lassen können. Nun gut, wer es mit seinen teils eher sparsamen Witzen aushalten möchte, der muss schon auch ein pädagogisches Gespür haben, damit niemand auf so lange Dauer irgendwann bockig wird.

Was mir schon eine Weile lang auffällt, ist der Jutebeutel auf der Bühne. Was mag wohl so wichtig sein, dass es gut sichtbar platziert auf dem Boden inmitten der Bühne liegen muss?
Die Antwort findet sich in einer Glasflasche und ist hochprozentig und von einem Fan selbstgebrannt. Außerdem hört sie auf den namen „Klarer“, was laut dem Spaceman ja quasi den Namen seiner Cellistin aufgreife. Ha ha. Gut drauf ist er ja heute. Sogar so gut, dass er der jungen Frau applaudieren lässt, welche ihn auf einen offenen Hosenstall hinweist. Hätte ich ihm eigentlich auch schon seit einigen Liedern sagen können, fand es nur eher wenig galant, ihn darauf hinzuweisen und so eventuell eine Nachfrage zu ernten, wieso ich denn da hinschauen würde.

Spaceman Spiff hat noch so manches mehr im Petto. Er fragt Marcel inmitten einer Ansage, ob dieser an diesem Abend noch Auto fahren könne und die Antwort klingt, als habe er seinen Supportact äußerst gut erzogen. Weiterhin erzählt er munter von einem Songarrangement, das in der Zeit entstanden sei, in der Clara eigentlich zu Ikea fahren wollte. Auch lüftet er so ganz nebenbei das Textgeheimnis zu „Yellow brick road“. Der Song ist nämlich gar nicht so pathetisch wie Ihr alle denkt. Er enthält vielmehr Referenzen zum Zauberer von Oz.

Es ist ein Abend voller Gemütlichkeit, unterhaltsamer Erzählungen, unfassbar klarer Akustik und guter Laune. Wenn ich nicht gerade zu sehr träumend in einer Parallelwelt verschwinde und die Songs verinnerliche, beobachte ich Details um mich herum. So erfasst Claras Stimmgerät eine ganze Weile lang ohne sie die Akkorde von Hannes‘ Gitarre. Zwei Scheinwerferspots verschmelzen während eines Songs sogar so, als bilden sie absichtlich einen Pac-Man. Ich frage mich gerade schon selbst, wieso ich während eines so schönen Konzerts auf solche absurden Gedanken komme.

Nun sitze ich hier, habe den Bericht fertig getippt und stelle fest, dass ich mich zu einem verdammt ungünstigen Moment in die Musik von Spaceman Spiff verliebt habe. Beim Hören beinahe jedes einzelnen Songs seiner Diskographie schießt mir ein ‚oh mein Gott, wie toll, wie heißt das?‘ in den Kopf. Bleibt zu hoffen, dass Hannes nur eine Pause voller Fußball und Regeneration nötig hat und in einigen Wochen oder Monaten wieder ein solches Fingerkribbeln verspürt, dass es für Spaceman Spiff musikalisch gesehen ganz bald wieder weiter geht.

[Best_Wordpress_Gallery id=“34″ gal_title=“Spacemann Spiff und Marcel Gein Privatclub Berlin“]

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